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von Schirach, Ferdinand

von Schirach, Ferdinand

Titel: von Schirach, Ferdinand
Autoren: Verbrechen
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-, und sie ist noch heute ein beliebtes Mordwerkzeug.
Ihre Bestandteile lassen sich in jedem Baumarkt erwerben, sie ist preiswert,
leicht zu transportieren und effektiv: Die Schlinge wird dem Opfer von hinten
um den Hals gelegt und mit Kraft zugezogen, es kann nicht schreien und stirbt
schnell.
     
    Vier Stunden nach dem Anruf
bei Tanata läutete es an Wagners Wohnungstür. Wagner öffnete die Tür einen
Spalt weit. Die Pistole, die er sich in den Hosenbund gesteckt hatte, rettete
ihn nicht. Schon der erste Schlag gegen seinen Kehlkopf nahm ihm die Luft, und
als die Garotte eine Dreiviertelstunde später sein Leben beendete, war er
dankbar, sterben zu dürfen.
    Wagners Putzfrau stellte am
nächsten Morgen die Einkäufe in die Küche und sah zwei abgeschnittene Finger
in der Spüle kleben. Sie rief die Polizei. Wagner lag in seinem Bett, seine Oberschenkel
waren mit einer Schraubzwinge zusammengepresst, in der linken Kniescheibe
steckten zwei, in der rechten drei Zimmermannsnägel. Eine Garotte lag um seinen
Hals, seine Zunge hing aus dem Mund. Wagner hatte sich vor seinem Tod
eingenässt, und die ermittelnden Beamten rätselten, welche Informationen er
dem Täter preisgegeben hatte.
    Im Wohnzimmer, zwischen
Marmorboden und Zimmerwand, lagen die beiden Hunde; ihr Kläffen musste den
Besucher gestört haben, er hatte sie zertreten. Die Spuren- Sicherung versuchte, in den Kadavern einen Abdruck
des Sohlenprofils zu nehmen, erst in der Pathologie konnte ein Stückchen
Plastik aus einem der Hunde gesichert werden. Der Täter hatte offensichtlich
über seinen Schuhen Plastiktüten getragen.
     
    In der gleichen Nacht, in der
Wagner starb, brachte Pocol gegen fünf Uhr morgens das Münzgeld aus seinen
Spielhallen in zwei Plastikeimern in das Friseurgeschäft. Er war müde, und als
er sich nach vorne beugte, um die Tür aufzuschließen, hörte er ein hell
surrendes Geräusch. Er kannte es. Sein Gehirn konnte es nicht schnell genug
einordnen, aber eine hundertstel Sekunde bevor die Kugel am Ende der Teleskopstahlrute
auf seinen Hinterkopf klatschte, wusste er, was es war.
     
    Seine Freundin fand ihn im
Laden, als sie ihn um Heroin anbetteln wollte. Er lag mit dem Gesicht nach
unten auf einem der beiden Friseurstühle, die Arme hatte er um den Stuhl gelegt,
als wollte er ihn umarmen. Seine Hände waren auf der Unterseite mit
Kabelbindern gefesselt, der massige Körper klemmte zwischen den Armlehnen. Pocol
war nackt, aus seinem After ragte ein abgebrochener Besenstil. Der Gerichtsmediziner
stellte bei der Obduktion fest, dass die Wucht, mit der das Holz eingeführt
worden war, auch die Blase perforiert hatte. Pocols Körper wies am Rücken und
Kopf insgesamt 117 Platzwunden
auf, die Stahlkugel des Totschlägers hatte vierzehn Knochen gebrochen. Welcher
der Schläge ihn am Ende getötet hatte, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt
werden. Pocols Tresor war nicht aufgebrochen worden, die beiden Eimer mit dem
Automatengeld standen fast unberührt im Eingang. Eine Münze hatte Pocol im
Mund, als er starb, und eine weitere fand man in seiner Speiseröhre.
     
    Die Ermittlungen liefen ins
Leere. Die Fingerabdrücke in Pocols Laden konnten allen möglichen Straftätern
in Neukölln und Kreuzberg zugeordnet werden. Die Folter mit dem Besenstil
deutete auf arabische Täter hin, sie galt als besondere Form der Demütigung. Es
gab ein paar Festnahmen und Vernehmungen im Umfeld, die Polizei glaubte an
Revierstreitigkeiten, aber sie hatte nichts in der Hand. Pocol und Wagner
waren nie zusammen polizeilich in Erscheinung getreten, die Mordkommission
konnte keinen Zusammenhang zwischen den Taten herstellen. Und am Ende gab es
nur eine Menge Theorien.
     
     
    Pocols Laden und der davor
liegende Bürgersteig waren mit weiß-rotem Flatterband gesichert, Scheinwerfer
leuchteten den Raum aus. Jeder in Neukölln, den es interessierte, wusste noch
während der Tatortarbeit der Polizei, wie Pocol gestorben war. Und nun hatten
Samir, Özcan und Manólis wirklich Angst. Sie standen um 11 Uhr mit dem Geld,
den Uhren und der Teeschale vor Pocols Laden in der Menschenmenge. Mike, der
Antiquitätenhändler, dem sie die Schale verkauft hatten, kühlte sich vier
Straßen weiter sein rechtes Auge. Er hatte die Schale zurückgeben und eine
Aufwandsentschädigung bezahlen müssen. Das blaue Auge gehörte dazu, so waren
die Regeln.
    Manólis sprach aus, was alle
dachten: Pocol war gefoltert worden, und falls es dabei um sie gegangen war,
hatte er sie
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