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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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Hütten. Schatten huschten hin und her, und als ich näher kam, entdeckte ich einige schwarze Farmarbeiter. Einer winkte mich zum Feuer. Er hieß Thomas, war 20 Jahre alt, vom Stamm der Ovambo. Sein Besitz bestand aus der Kleidung, die er am Körper trug, der Hütte, in der er mit seiner Familie lebte, einem ausrangierten Campingstuhl, einem Ghettoblaster und einer Handvoll Musikkassetten. Er konnte ein paar Brocken Englisch und erzählte mir von seinem Traum.
    „Ein Keyboard! Ich spare auf ein Keyboard. Um Musik zu komponieren. Wenn ich es habe, gehe ich nach Windhuk und lebe von Musik.“
    „Wann wird das sein?“
    „Wenn es gut läuft, in sechs oder sieben Jahren.“
    Wieder blickte ich in eine Glut, und wieder grinste der Feuergott heraus. Ein Keyboard, in sechs oder sieben Jahren. Visionen sind der Antrieb der Menschheit, doch mittlerweile ist ein Großteil der schwarzen Bevölkerung Namibias nicht mehr so geduldig wie Thomas. Viele blicken nach Simbabwe, wo Diktator Robert Mugabe die weißen Farmer enteignete. Mit der Folge, dass die Wirtschaftskraft des Landes um 95 Prozent schrumpfte, weil keine ausgebildeten schwarzen Landwirte als Ersatz zur Verfügung standen. Dafür hatte Mugabe plötzlich viel Land zu verschenken, und Geschenke sind das Opium fürs Volk – auch in Afrika. Seither fordert die namibische Farmarbeitergewerkschaft National Union of Namibian Workers (NAFWU) von ihrer Regierung, „ebenfalls von radikalen Mitteln Gebrauch zu machen“. Ganz gleich, wie die Sache ausgeht: Ich glaube nicht, dass sie Thomas seinem Keyboard näher bringt. Die politischen und wirtschaftlichen Probleme Afrikas lassen sich nicht mit einer Handvoll willkürlicher Aktionen lösen, sondern nur durch ein beherztes Miteinander aller dort lebenden Menschen. Jedenfalls ist dies eine Vision, die mich antreibt.
    Rolfs Mission war klar. Ich hatte gerade mal fünf Minuten die Augen zugemacht, da rüttelte er mich wach.
    „Los, los, los“, sagte er, „wir lassen den Ballon steigen!“
    Wir stiegen in die Geländewagen. Ein unwirklicher, bläulicher Schimmer lag über der Savanne. So etwas auf Film zu bannen, ist der Traum eines jeden Kameramanns. Wir parkten auf einer kleinen Anhöhe und machten uns ans Werk. Kondom auslegen, Gas rein, Feuerzeug dran, Finger weg – schon hob sich der Ballon majestätisch in die Höhe. Dieses Mal wollte Rolf die Sache strategisch angehen. Nachdem er den Windmesser konsultiert hatte, erläuterte er seinen Schlachtplan.
    „Wir haben Südwind. Du und der Professor sichert die nördliche Piste. Sinkt der Ballon, fahrt ihr mit dem Auto hinterher und schnappt ihn euch. Klar?“ Klar.
    Prof. Haberer hatte es sich nicht nehmen lassen, dem Spektakel beizuwohnen, und als er jetzt den Geländewagen mit Karacho durchs Unterholz steuerte, war mir klar, dass ihm das Wort „Abenteuer“ nicht fremd war.
    „In einem halben Jahr gehe ich in Rente“, sagte er.
    „Ich habe mir eine halbverfallene Farm in Südafrika gekauft. Strom gibt es keinen, aber einen 15 Meter hohen Wasserfall hinterm Haus.“
    Ich streckte den Kopf aus dem Fenster, und beobachtete, wie der Ballon gemächlich über Geros Farm glitt. Die Kamera an seinem Ende bewegte sich wie durch Zauberhand hin und her. Wunder der Technik.
    Und Wunder der Natur. Auf einmal frischte der Wind auf, und ich sah, wie der Ballon unter den Böen kräftig Fahrt aufnahm.
    „Runter mit dem Ding“, rief ich ins Walkie Talkie. Und zum Professor: „Gas geben!“
    Als hätte er nur darauf gewartet, bewies mir Detlef Haberer, dass ein Leben im Schoß der Alma Mater seine Reflexe nicht hatte einrosten lassen. Der Geländewagen schoss vorwärts, und ich steuerte mit lauten Zurufen: „Links! Rechts! Schneller!“
    Der Ballon trieb mit 60 Stundenkilometern auf eine Baumgruppe zu. Verfing er sich darin, konnten wir ihn und die Kamera abschreiben.
    „Bleifuß!“, rief ich, und der Professor kam meinem Wunsch nach. Ich hing bis zur Hüfte aus dem Beifahrerfenster, während der Geländewagen über Stock, Stein und Wurzelholz raste. Noch zehn Meter, noch fünf, noch drei, noch einer, ich packte zu.
    „Langsamer! Laaaaangsam!“
    Halb im Auto, halb außerhalb, die Kamera in der einen Hand, den Korb des Ballons in der anderen, darüber die Flamme mit 1200 °C und Richards Worte im Ohr, „du bist nicht aus poly-r-beschichtetem Nylon, also schön Obacht geben“, fuhren wir die Strecke zurück.
    Rolf platzte fast vor Stolz, als wir das Ungetüm absetzten. Er
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