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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen
Autoren: John Steinbeck
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hast.«
    Wieder nickte George.
    Slim seufzte. »Na, ich denk mir, wir wer’n ihn kriegen.
    Wohin denkste, daß er gelaufen is?«
    George schien etwas Zeit zu brauchen, um Worte zu finden. »Er … wird wohl nach Süden gegangen sein. Wir sind von Norden gekommen, so wird er wohl südwärts gelaufen sein.«
    »Ich denke mir, wir wer’n ihn kriegen«, wiederholte Slim.
    George hielt kurz an. »Könnten wir ihn nich in die Stadt bringen un ihn einsperren lassen? Er is nich bei Trost, Slim. Er hat das bestimmt nich aus Gemeinheit getan.«
    Slim nickte. »Vielleicht. Wenn wir Curley zurückhalten können, dann vielleicht. Aber Curley wird ihn erschießen wollen. Curley is immer noch wütend wegen seiner Hand.
    Wahrscheinlich würden sie ’n einsperren un festbinden un ihn hinter Gitter tun. Das taugt auch nix, George.«
    »Ich weiß«, sagte George. »Ich weiß.«
    Carlson kam hereingerannt. »Der Bastard hat meine Pistole gestohlen«, schrie er. »Is nich mehr in meinem Ran-zen.« Curley folgte ihm, ein Schießgewehr in der Hand. Er war jetzt eiskalt.
    »Macht nix, Burschen«, sagte er. »Der Nigger hat ’n Gewehr. Nimm du’s, Carlson. Und wenn du ’n siehst, üb keine Gnade. Schieß ihn in ’n Bauch. Das hilft ihm sicher hinüber.«
    Whit rief erregt: »Ich hab kein Gewehr.«
    Curley sagte: »Du gehst nach Soledad und zeigst ihn an.
    Bei Al Wilts, der is stellvertretender Sheriff. Jetz los.« Er wandte sich an George. »Du kommst mit uns, Bursche.«
    »Ja«, sagte George, »ich komm mit. Aber hör, Curley.
    Der arme Hund is nich bei Trost. Erschieß ihn nich. Er wußte nich, was er tat.«

    104
    »Ihn nich erschießen? Er hat Carlsons Pistole, ’türlich wer’n wir ihn erschießen.«
    George sagte mit schwacher Stimme: »Vielleicht hat Carlson seine Pistole verlegt.«
    »Hab se heute morgen noch gesehn«, sagte Carlson.
    »Nein, sie is gestohlen.«
    Slim stand immer noch in Betrachtung von Curleys Frau. »Curley«, sagte er, »wär’s nich besser, du bliebst hier bei deiner Frau?«
    Curley wurde feuerrot. »Ich geh los«, sagte er. »Ich werd dem großen Bastard selber die Gedärme rausschießen, auch wenn ich bloß eine Hand hab. Wir wer’n ihn kriegen.«
    Slim wandte sich zu Candy. »Dann bleib du hier bei ihr, Candy. Wir andern tun besser dran, loszugehn.«
    Sie machten sich auf. George verweilte einen Augenblick bei Candy und beide blickten auf die Tote, bis Curley ausrief: »Du, George, du bleibst bei uns, sonst müssen wir denken, du hättst was damit zu tun.«
    George bewegte sich schwerfällig hinter ihnen her, sein Fuß schien zu schleppen.
    Als sie gegangen waren, legte sich Candy platt auf das Heu und sah Curleys Frau ins Gesicht. »Arme Hure«, sagte er milde.
    Die Fußtritte der Männer verklangen. In der Scheune dunkelte es allmählich, und in ihren Boxen rührten die Pferde die Füße und rasselten mit den Halfterketten. Der alte Candy legte sich ins Heu nieder und deckte sein Gesicht mit dem Arm zu.

    105
    VI

    Der tiefe Teich, den der Salinas-Fluß bildet, lag noch in der Beleuchtung des Spätnachmittags. Die Sonne hatte bereits das Tal verlassen und kletterte die Abhänge des Gabilan-gebirges hinauf, und die Gipfel der Berge erglühten in der Sonne. Aber auf dem Teich zwischen den gesprenkelten Maulbeerbäumen war ein friedlicher Schatten gebreitet.
    Eine Wasserschlange glitt leichthin über den Teich, ihr leuchtendes Köpfchen hin und her wendend; sie schwamm den Teich entlang und geriet zu Füßen eines Reihers, der reglos im Seichten stand. Lautlos senkte er Kopf und Schnabel hinab, pickte die Schlange beim Kopf und ließ sie im Schnabel verschwinden, während ihr Schwanz noch wild zappelte.
    Von fernher erbrauste ein Wind und fuhr in wellenförmigen Stößen durch die Gipfel der Bäume. Die silberwei-
    ßen Seiten der Maulbeerblätter drehten sich nach oben, und die braunen dürren Blätter auf dem Boden wirbelten ein paar Fuß weit dahin. Und kleine Windwellen kräuselten reihenweise das Wasser des grünen Teiches.
    So schnell, wie er gekommen war, legte sich der Wind, und die Lichtung war wieder in Stille getaucht. Der Reiher stand im Seichten, reglos und wartend. Eine andere Wasserschlange kam den Teich heraufgeschwommen, das leuchtende Köpfchen von einer Seite zur andern drehend.
    Plötzlich tauchte Lennie aus dem Gebüsch auf; er kam leise heran, wie ein Bär schleicht. Der Reiher schlug mit den Flügeln in die Luft, schüttelte das Wasser von sich ab und flog flußabwärts. Das
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