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Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Von Lichtwiese nach Dunkelstadt

Titel: Von Lichtwiese nach Dunkelstadt
Autoren: Ivar Leon Menger , John Beckmann
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Schulter nicht immer gegen mein Kinn schlägt –, doch erst fehlt mir die Luft und dann stelle ich auch noch fest, dass wir nichts dabei haben, um das Birkenwasser abzufüllen.
    Ich sage es Lilly.
    Sie macht noch zwei kleine Hopser und lässt mich los. Sie schaut an mir herunter, schaut an sich herunter, durchsucht ihre Hosentaschen, schaut sich dann suchend um und jammert schließlich: „Das darf doch nicht wahr sein, Dodo. Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist!“
    Ich tue es, aber es scheint nicht zu funktionieren. Lilly sieht immer noch so aus, als hätte sie gerade auf eine grüne Zitrone gebissen.
    „Was machen wir denn jetzt?“
    Ich mache wieder „Hmm“, doch sogar das hilft nicht.
    „Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, fragt Lilly. Es klingt fast wie ein Vorwurf.
    „Ich überlege.“
    „Ohne Birkenwasser wird der Katzenbaum dir nie deine Frage beantworten! Und dann wirst du nie erfahren, was mit deinen Eltern passiert ist.“
    „Ich weiß.“
    „Och Mensch, Dodo, was machen wir denn jetzt? Wir können doch nicht so kurz vorm Ziel scheitern!“
    „Vielleicht …“, sage ich. „Vielleicht können wir uns aus den Bäumen etwas schnitzen.“
    Lilly schaut zu den Birken hinüber und nickt auf einmal ganz aufgeregt. „Das ist eine gute Idee! Das könnte tatsächlich klappen! Hast du ein Messer dabei?“
    „Nee, leider nicht.“
    „Na tolltoll …“ Ihr Kopf sackt nach vorne, als wäre sie eine losgeschnittene Marionette.
    Ich überlege weiter und dann habe ich plötzlich die Lösung. Sie ist so naheliegend, dass ich mich wundere, warum wir darauf nicht schon früher gekommen sind.
    „Wenn man Birkenwasser trinkt, kann man in die Zukunft sehen, richtig?“
    „Kann schon sein. Warum?“
    „Ganz einfach“, sage ich und komme mir dabei ziemlich gewitzt vor. „Weil ich nie aufhören werde, nach einer Antwort zu suchen. Das hat Kuckuck Rosenzopf selbst gesagt. Also werde ich früher oder später herausfinden, wer meine Eltern sind. Wenn ich also jetzt in die Zukunft schaue, werde ich es ebenfalls erfahren.“
    Lilly scheint von der Idee nicht unbedingt überzeugt zu sein. „Du willst was?!“
    „Weil ich es später, also in der Zukunft, ja auch weiß“, bringe ich den Gedanken zu Ende. „Ich muss nur von dem Birkenwasser trinken.“
    „Nein, das ist viel zu gefährlich! Birkenwasser ist giftig!“
    „Mach dir keine Sorgen, Lilly. Mir wird schon nichts passieren.“ Und weil sie einfach nicht aufhört, den Kopf zu schütteln und mich besorgt anzustarren, füge ich hinzu: „Mir kann gar nichts passieren. Weil ich doch in der Zukunft herausfinde, wo meine Eltern sind. Verstehst du?“
    Tut sie anscheinend nicht. „Dodo, das ergibt doch überhaupt keinen Sinn!“
    „Mädchen verstehen nichts von Zeitreisen“, sage ich und hoffe, dass die Diskussion damit beendet ist.
    „Deine Freundin hat recht“, zerstört eine Stimme meine Hoffnung.
    Ich drehe mich um. Auf der anderen Seite des Teichs steht ein Junge mit einem weißen Gewand und schwarzen Haaren. Er steht dort, als warte er darauf, dass jemand ein Bild von ihm malt. „Es ist verboten, das heilige Birkenwasser zu trinken. Sogar die alten Schamanen waschen sich nur die Hände damit“, verkündet er. Dann gibt er seine Pose auf und kommt zu uns herüber.
    Ich weiß nicht genau, was ich antworten soll, also entscheide ich mich für: „Was weißt du denn schon!“
    „Ich bin Agerian, der Agerianer“, stellt er sich vor und lächelt, als wenn uns das beeindrucken müsse. Seine Haut ist beinahe so dunkel wie seine Haare. „Mein Volk nutzt die Kräfte des heiligen Birkenwassers bereits seit Jahrtausenden.“
    „Ich bin Dodo“, sage ich und ärgere mich, dass ich keinen Beinamen habe.
    „Ich bin Lilly“, sagt Lilly, und mir gefällt gar nicht, wie sie Agerian und seine braunen Augen ansieht. „Lebst du hier?“
    „Nein, ich bin mit meinen Eltern hier“, entgegnet Agerian. „Wir fahren jedes Jahr Zelten. Das ist so was wie eine Tradition bei uns. Um das Andenken unseres Volkes zu erhalten oder so. Die waren nämlich Beduinen.“
    „Das hört sich voll cool an“, schwärmt Lilly und lächelt jetzt sogar noch.
    „Eigentlich ist es ziemlich öde“, erwidert Agerian. „Aber die Zelte sind klasse. Wir haben eine richtige Zeltstadt aufgebaut. Gleich da vorne.“ Er zeigt in die Richtung, aus der wir gekommen sind. „Wenn du willst, zeige ich sie dir.“
    „Wirklich?“, jauchzt Lilly und beginnt, an ihrer Unterlippe
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