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Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Von ganzem Herzen Emily (German Edition)

Titel: Von ganzem Herzen Emily (German Edition)
Autoren: Tanya Byrne
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was ich gewollt hatte. Schon seltsam, wie man etwas so lange will, und wenn man es dann bekommt, fühlt es sich auf einmal ganz anders an, als man es erwartet hatte.
    Sid stand zwischen uns. »Was ist hier los? Wovon redet ihr da?«
    »Pass auf dich auf, Sid. Komm ihr nicht zu nahe.« Juliet machte noch einen Schritt zurück, und danach herrschte ein solches Schweigen, dass ich mein eigenes Herz schlagen hörte, als ich das Klappmesser aus meiner Hosentasche zog und es aufspringen ließ. Ich hob es hoch. Wie schön die Klinge in der Sonne glänzte. Als wäre sie aus Gold.
    Als Sid das Messer bemerkte, wurde er fahl im Gesicht. »Rose, was tust du da?«
    »Nenn mich nicht so!«
    »Dich nicht wie nennen?«
    »Sid, lass das bleiben. Geh weg von ihr!«, rief Juliet, griff nach seinem Ärmel und zerrte ihn fort. »Du kannst mit ihr nicht argumentieren. Sie ist gefährlich.«
    Aber er versuchte es weiter. »Rose! Lass das! Was machst du da? Gib mir das Messer!«
    »Auge um Auge«, sagte ich. »Herz um Herz.«
    Ich lächelte und zeichnete mit der Klinge ein Herz in die Luft.
    »Du jagst mir Angst ein, Rose!«
    »Hör auf, mich so zu nennen!«, zischte ich.
    »Bitte, Sid«, flehte Juliet ihn an und zerrte noch einmal an seinem Ärmel. »Geh weg von ihr!«
    Ich zeigte mit der Spitze des Messers auf sie. »Wegen dir habe ich alles verloren!«
    »Dein Vater hat meinen Vater ermordet, und du erzählst mir, du hättest alles verloren?«, schrie sie.
    »Aber du hast alles wieder zurückgekriegt, und noch mehr – Mike, Eve und Sid.«
    »Wie kannst du das denn miteinander vergleichen!« Die Tränen schossen ihr in die Augen, und es war so schön. So schön.
    »Besser, als Emily Koll zu sein, die Tochter des Unterweltbosses! Was hab ich denn getan?«
    »Mein Vater ist tot! Dein Vater hat ihn umgebracht! Ist es meine Schuld, wenn dein Vater ein Verbrecher ist?«, schluchzte Juliet.
    Ich schüttelte den Kopf. »Er war kein Verbrecher. Das wurde er erst, nachdem du auf ihn eingestochen hattest.« Ich blickte zu Sid. Ich hätte ihn am liebsten gepackt und geschüttelt. »Ich wusste es nicht. Ich hatte keine Ahnung davon. Bevor sie es getan hat, war er für mich einfach nur mein Vater. Kannst du das verstehen?« Sid nickte. »Ich wusste es nicht.«
    Ich blickte wieder zu Juliet. »Dann hast du mit dem Brotmesser auf ihn eingestochen, und meine Welt ist auseinandergebrochen, und ich hatte nichts mehr. Nichts. Alles war auf einmal eine Lüge. Alles. Weißt du, wie sich das anfühlt?« Ich lachte bitter auf. »Klar weißt du das. Dein Leben jetzt ist ja auch eine Lüge. Sid liebt dich nicht, er liebt Nancy Wells. Deine Tante und dein Onkel sind nicht deine Tante und dein Onkel, sondern irgendwelche fremden Leute, die dich aufgenommen haben. Du bist nicht im Februar geboren, dein Geburtstag ist im Oktober. Alles ist eine Lüge. Alles. Ich habe es laut ausgesprochen, damit es aus und vorbei ist. PUFF ! Wie ein Luftballon, der zerplatzt. Und, wie fühlst du dich jetzt?« Ich lachte und zeigte mit dem Messer auf sie. »Wie fühlt es sich an, Juliet?«
    Sid stellte sich zwischen uns, bevor ich noch einen Schritt auf sie zu machen konnte. »Ro, mach das nicht.«
    »Ich liebe dich, Sid«, sagte ich und konnte hören, wie meine Stimme zitterte. Ich schaute ihm in die Augen. »Das weißt du, oder? Ich liebe dich ganz unglaublich und wie verrückt. Ich liebe dich wie eine Wahnsinnige.«
    »Ich weiß. Bitte, Rose. Bitte, tu das nicht.«
    »Aber mein Hass auf Juliet ist stärker.«
    »Bitte, Rose, tu das nicht.«
    »Nenn mich nicht so«, sagte ich unter Tränen.
    Dann stach ich zu.

[zurück]
     
     
     
    I ch habe gerade noch zehn Minuten Zeit, bevor die Wärterinnen kommen, um mich ins Old Bailey zu bringen, deshalb schreibe ich das hier jetzt so schnell auf, wie ich kann. Tut mir leid, wenn du es kaum entziffern kannst.
    Der Vormittag heute war seltsam. So ruhig. Ich trage einen Hosenanzug. Ich hab diesen Hosenanzug nicht mehr getragen, seit in St. Jude’s Tag der offenen Tür war und ich das Präludium aus Bachs Cello-Suite Nr.  1 spielte. Damals klatschten alle Zuhörer in der Aula so laut und so lange, dass ich mich fünf Mal verbeugen musste.
    Ich sehe beinahe wieder wie Emily aus. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal wie Emily ausgesehen habe. Naomi hat mir geholfen. Sie hat mir die Haare gebürstet und mir die Nägel mit einer stumpfen Feile gefeilt, die sie den Pflegerinnen abgeschwatzt hatte. Sie sagte kein
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