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Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Titel: Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein
Autoren: Clough Patricia
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absolute Ausnahmen, ihnen hing etwas Bizarres, beinahe Unnatürliches an. Im Mainstream, der von Jugend und Schönheit dominiert wird, hat es so etwas nicht gegeben. Doch vor einiger Zeit ist ein Film erschienen, der mit dem Tabu um die Liebe im Alter bricht. »Wolke 9«, vom mutigen Regisseur Andreas Dresen, handelt von einem »coup de foudre«, einer Liebe, die einschlägt wie der Blitz. Inge, eine verheiratete Frau über sechzig, verliebt sich unsterblich in den sechsundsiebzigjährigen Karl. Völlig unverstellt zeigt die Kamera den Sex mitsamt der Falten und Altersflecken – für viele Kinogänger ein neues, vielleicht auch erschütterndes Erlebnis. Die Schauspielerin Ursula Werner sagte, dass alle Beteiligten wussten, welches Risiko sie mit dem Film eingingen und dass einige Szenen das Publikum möglicherweise verstören würden. Aber sie wollten einen ehrlichen Film machen. Hätte man die Sexszenen herausgeschnitten, meinte Andreas Dresen, so hätte dies der ganzen Auffassung des Films widersprochen. Die nämlich laute: »Liebe im Alter ist schön.«
    Wenige Minuten nach ihrer ersten Begegnung – gleich zu Anfang des Films – sehen wir, wie Inge und Karl miteinander schlafen. Sie zeigen, dass die Liebe zwischen alten Menschen genauso leidenschaftlich und dringlich sein kann wie zwischen jüngeren. »Romeo und Julia«, sagte mir Ursula Werner, als wir im Café des Berliner Gorki Theaters saßen, wo sie oft auftrat, »denen wird es zugebilligt. Und die haben sich vorher schließlich auch kaum gekannt.«
    Der Film erkundet die Konsequenzen dieser Liebesgeschichte und ihr letztendlich tragisches Ende. »Das Erstaunliche ist: Alle Altersgruppen, die Jungen, die Alten, das breite, mittlere Alter, sie alle haben sehr positiv reagiert.« Beim Festival in Cannes wurde der Film mit einem Preis geehrt, das bekanntermaßen kritische Publikum bedachte ihn sogar mit Standing Ovations. Richtig negativ reagiert haben die wenigsten. Viele Ehepaare erklärten vor dem Film, sie würden wohl bei den einschlägigen Szenen die Augen schließen. Nachher »haben wir festgestellt, dass es gar nicht um Sex im Alter geht, sondern um Liebe, und dass dieses Phänomen, dieses Entflammen nicht aufhört, sondern dass tiefe Leidenschaften und Gefühle vorhanden sind, die man den Älteren gerne abspricht, so wie man ihnen gerne abspricht, dass sie arbeiten können und, ja, sehr, sehr positive und große Leistungen in der Arbeitswelt vollbringen können.«
    Einige, die den Film gesehen haben, halten die neunundsechzigjährige Frau Werner nun für eine Spezialistin für Liebesfragen im Alter. Sie quittiert die entsprechenden Anfragen mit einem Lachen: »Das bin ich ja nicht!« Unter anderem hat sie Briefe von älteren Frauen erhalten, die Affären oder Liebschaften mit jüngeren Männern haben und sich über die »Schwierigkeiten und das Gerede« beklagen, dem sie nicht entkämen. »Je kleiner der Ort, desto unbarmherziger ist das«, sagt sie. Der Film versucht nicht, die Illusion herzustellen, dass Liebe in dieser Lebensphase unkompliziert ist, aber er bestätigt ausdrücklich, dass es sie gibt. Schon damit haben Andreas Dresen, Ursula Werner und ihre Kollegen der Gesellschaft einen enormen Dienst erwiesen.
    Meistens verliebt man sich ganz plötzlich, wenn viele Frauen längst meinen, »all das« hinter sich zu haben. Jedoch konnte ich auch mit einer Frau sprechen – nennen wir sie Christiane –, die über einen langen Zeitraum nach ihr gesucht hat. Sie war über sechzig, seit mehreren Jahren geschieden. Ihre Ehe war eine Katastrophe gewesen. »Es war furchtbar, aber die Erfahrung hat mir die Ehe als solche nicht verleidet. Ich dachte immer noch, dass es möglich sein müsste, einen Mann zu finden, mit dem ich glücklich werden kann. Das Problem, dachte ich, ist mein Alter – wer hat denn noch Interesse an mir?« Doch eine Freundin, die selbst erst kürzlich wieder geheiratet hatte, sprach ihr Mut zu. »Du darfst auf keinen Fall aufgeben«, sagte sie, »du darfst nichts unversucht lassen, man weiß nie, was passiert.« Also schloss sie sich einigen Vereinen an und bemühte sich, ihren Freundeskreis zu erweitern in der Hoffnung, dass man sie weiter vorstellen würde.
    Schließlich überwand sie sich und wurde Mitglied bei einer Partnersuche-Website. »Ich
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