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Vom Kämpfen und vom Schreiben

Vom Kämpfen und vom Schreiben

Titel: Vom Kämpfen und vom Schreiben
Autoren: Carla Berling
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ich hätte ja keine Ahnung, das sei alles normal. Zudem warnt er mich pseudo-kollegial, sowas nicht bei Twitter herumzuposaunen, weil ich mir damit schaden würde. Danach bin ich ein bisschen eingeschüchtert und lösche die Links bei Twitter. Es folgt eine schlaflose Nacht.
    Würde ein Verlag, der mich so schlecht bezahlen will, die nötige Werbung für mein Buch machen? Ist ein unbekannter Autor nur ein Abschreibungsposten?
    Wenn ein kleiner Verlag an mein Buch glaubt und wir zusammen das Marketing stemmen (was ich zurzeit alleine organisiere), und wenn so ein kleiner Verlag jährlich zehn Prozent Honorar auf verkaufte Exemplare bezahlt – ist das nicht viel fairer? Ich bin doch als Autor nicht die unwichtigste Person im Literaturbetrieb! Dass ich sehr wohl wichtig bin, wird mir bei meiner nächsten Lesung wieder bewusst, im Theater InTakt in Wuppertal, ich lese zum wiederholten Mal hier.
    Das muss man sich mal vorstellen: Ein kleines Theater, das ohne Zuschüsse, Sponsoren und Spenden auskommt und dennoch ein abwechslungsreiches Programm zu erschwinglichen Eintrittspreisen bietet.
    Ein Theater, in dem alles passieren kann: Da wird gesungen, getanzt, geschauspielert und gelesen – die ganze herrlich bunte Palette der Kunst.
    Ein gemütlicher Raum mit guter Technik, ausgezeichneter Akustik und angenehmer Atmosphäre. Kerzenlicht, liebevolle Dekorationen, gepflegte Getränke zu moderaten Preisen. Eine Chefin, die immer fröhlich und guter Dinge ist, die den Gästen in der Pause warme Pizzabrötchen serviert. Es wird ein traumhafter Abend. Zuerst, weil Birgit und ihr Mann sich um uns kümmern. Das ist nicht selbstverständlich, dass Menschen sich um einander kümmern, und wenn es so freundlich geschieht, dann möchte ich auch das hier betonen. Weil Birgit sich um ihre Gäste kümmert. Sie begrüßt jeden einzelnen so herzlich, dass jeder merkt: Sie freut sich wirklich, dass ich hier bin!
    Das ist eine Basis für alle, eine, die nötig ist, um einen gelungenen Theaterabend zu gestalten: Dazu gehören Veranstalter, Künstler und Publikum. Wenn nur einer davon ausfällt, geht nichts.
    So aber haben wir einen Abend, den wir noch lange alle in guter Erinnerung behalten werden. Es ist ausverkauft, die Leute lachen schon nach der ersten Minute. Manchmal muss ich Pausen machen, um das Gelächter abzuwarten, und den Szenenapplaus genieße ich besonders.
    Am Ende sind alle Bücher verkauft, und da ich siebzig Prozent vom Eintrittsgeld bekomme, habe ich richtig gut verdient.
    Aber ich schaffe es nicht, die Win-Win-Situation dieses Abends in den Alltag mit zurückzunehmen. Wenige Wochen später will ich aufgeben. Im November 2010 kann ich nicht mehr. Bin müde, mürbe, ausgepowert.
    Im Schnitt habe ich mittlerweile dreißig Lesungen im Jahr – ich habe dieses Jahr tausend Bewerbungen versandt, um dafür engagiert zu werden. Die Werbung für Lesungen und Bücher, die ich alleine mache, Pressearbeit, Flyer, Plakate, Prospekte, Kontaktsuche, Projektentwicklung, Korrespondenzen mit Verlagen, Agenten, Kollegen, Institutionen, Veranstalten, Twitter, Facebook, Xing, Newsletter und täglich kreativ schreiben - meine Maximalkapazität ist endgültig erreicht.
    Neunhundertsiebzig Absagen beziehungsweise unbeantwortete Lesungsanfragen muss man erst mal aushalten können.
    Es gibt Agenten, die mir sagen, mein neues Buch sei klasse geschrieben, die Geschichte sei packend erzählt, aber das Thema passe in keine Schublade und deswegen, leider …
    Etliche Verlage schicken mir Absagen per Formbrief, und Kollegen belächeln mich, weil ich zwei Bücher im Selbstverlag herausgegeben habe.
    Es ist genug. Bis zum Jahresende gebe ich mir noch: Bis dahin will ich den »Rattenfang« verkaufen und den dritten Band von »Jesses Maria« schreiben. Danach ist Schluss. Wenn ich nach so vielen Jahren noch immer nicht vom Schreiben leben kann, dann soll es eben nicht sein.
    Vielleicht kann ich es gar nicht, schreiben, vielleicht sind meine Themen nicht Mainstream genug oder zu sehr, vielleicht habe ich mich die ganze Zeit selbst überschätzt und mir nur eingebildet, ich könne schreiben und Menschen unterhalten. Vielleicht waren die bisherigen Erfolge kein Verdienst, sondern Zufall. Fünfzehn Jahre lang nicht aufzgeben sind genug. Bis zur Rente kann ich noch siebzehn Jahre arbeiten, da wird sich schon was für ganztags finden.
    Als ich mit einem Kollegen darüber spreche, macht er mir Mut: Ich solle unbedingt durchhalten, im Kulturleben könne sich der
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