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Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Titel: Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
Autoren: David Lampson
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langsam an Glanz verloren, als Julia wieder anfing zu reden und sich herumwälzte. Es dauerte länger als sonst, bis ich sie wegen des Frühstücks am nächsten Morgen beruhigt hatte. Aber nachdem sie aufgehört hatte, mit Armen und Beinen sämtliche Decken zu zerwühlen, beantwortete sie meine Frage schließlich.
    »Natürlich denkt keiner, dass es halten könnte«, sagte sie. »Wir können nicht in alle Ewigkeit die Augen verschließen, und es gibt zu vieles, worüber ich nie mit dir reden wollte. Wenn ich am College bin, ist es nur noch eine Frage der Zeit.«
    »Mag sein.« Ich wusste, dass sie mich nicht hörte, aber das war mir gleich. »Aber wir könnten es ja versuchen.«
    »Ich habe dich gewarnt, dich in mich zu verlieben.«
    Sie saß völlig reglos da, den Rücken an die Wand gelehnt, und ihre Augen waren weit offen und glänzten ein wenig. Von ihrem Gefuchtel atmete sie noch immer ziemlich schwer.
    »Du könntest auch jederzeit deine Meinung ändern«, sagte ich. »So was ist möglich.«
    »Dein Bruder ist tot, und du sitzt einfach bloß da. Es ist so offensichtlich, wer ihn getötet hat, und du hast keinen Finger gerührt. Vermisst du deinen Bruder denn nicht, Joe?«
    Das war das erste Mal, dass Julia mir im Schlaf eine Frage stellte, die nichts mit dem Frühstück zu tun hatte.
    »Ich rede noch immer fast täglich mit ihm«, sagte ich. »Er wird immer jünger.«
    »Ich weiß, warum Alvin tot ist, aber nur, wenn ich schlafe. Wenn ich wach bin, weiß ich das bloß in vielen winzigen Stückchen und nie als Ganzes. Doch wenn ich vorsichtig zurückginge und alles, was ich weiß, zusammenfügen würde, dann wäre es vollkommen klar.«
    »Sag mir einfach, was ich machen soll.«
    »Als Mädchen spürt man, wenn ein Junge sie ihr ganzes Leben auf diese andere Art ansieht. Aber so was könnte ich niemals denken, wenn ich wach bin. Niemand würde es ertragen, alles zu wissen, was man rauskriegen könnte. Man muss sich halt ein paar Sachen raussuchen. Sonst wird’s einfach zu viel. Aber du bist Alvins Bruder. Du müsstest es eigentlich auch sehen können.«
    »Ich mach alles, was du willst. Sag’s mir einfach.«
    »Wer macht eigentlich Frühstück?«
    »Ich könnte dich immer noch überraschen.«
    »Ich habe nicht genug Geld fürs Frühstück!« Sie schlenkerte wieder mit den Beinen. »Aber wir brauchen morgens doch was zu essen.«
    Wieder stieg sie ihre Phantasieleiter hinauf, schneller als sonst. Ich hatte schon Angst, dass sie sich die Augen auskratzte oder so was, also versuchte ich, ihre Arme unter der Decke zu halten, während ich sie beruhigte.
    »Mach dir wegen des Frühstücks keine Sorgen. Ich kümmere mich darum.«
    »Woher willst du wissen, dass genug da ist?«
    »Ich mach Cornflakes fertig und brate auch ein paar Eier. Und jeder kriegt Orangensaft. Es gibt reichlich Frühstück für alle. Schlaf jetzt, Julia.«
    Endlich entspannte sie sich. Ihre Atmung wurde langsamer, und ich strich ihr über die Arme, bis sie die Augen schloss und wieder normal schlief. Auf ihrer Stirn waren noch immer die kleinen Runzeln, also blieb ich bei ihr im Bett, bis sie verschwanden, dann stand ich auf und ging in die Kochnische, denn ich wusste, dass ich jetzt nicht schlafen konnte. Ich stellte Teller und Schalen für uns hin und machte eine neue Schachtel Cornflakes auf, dann holte ich alle Eier raus und reihte sie am Herd auf.
    Ich wusste, dass es allmählich Zeit wurde, mir zu überlegen, was ich als Nächstes tun sollte, aber es fiel mir nicht leicht. Ich setzte mich an den Tisch und zählte, so weit ich konnte, vielleicht bis auf einige Hundert – und als das nichts brachte, legte ich mich auf den Fußboden. Ich ließ den ganzen Tag Revue passieren: das scheußliche Essen, das große, alte, verkohlte Haus, das Rauchwölkchen, das vom Sofakissen aufstieg, wie Ms Delancey sang und alles, was sie sagte. Als ich spürte, wie mein Körper die großen Bodenfliesen wärmte, beschloss ich, Marcus anzurufen. Etwas anderes fiel mir nicht ein.
    Seit mir klar geworden war, dass Alvin mich nie mehr anrufen würde, hatte ich nicht mehr mit meinem Handy telefoniert, deshalb musste ich es erst eine Weile laden. Als ich es anmachte, war schon eine Nachricht von Marcus da. Ich spielte sie ab, und es war schön, seine Stimme zu hören, auch wenn er ziemlich aufgeregt klang.
    »Ich weiß nicht, wie ich dich erreichen kann, Joe, und ich habe keine Ahnung, wo du bist. Aber ich habe leider schlimme Nachrichten.«
    Er klang, als wäre er auf
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