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Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)

Titel: Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
Autoren: David Lampson
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weg.«
    »Was?«
    »Ich bin schon weg, Joe. Ich sitze im Flugzeug nach Miami. Ich habe das perfekte Segelboot gefunden, und heute Nachmittag kommt die Crew an Bord. Bei Sonnenuntergang bin ich auf dem Meer!«
    Ich begriff überhaupt nicht, was Alvin da sagte, doch dann wurde es mir plötzlich klar. Ich redete gar nicht mit dem echten Alvin. Ich fasste seine Hände an, und tatsächlich, sie waren kalt. Es war, als fasste ich die Hände einer Statue an. Deshalb wollte ich Alvin auch nicht anfassen, wenn er so war. Er war dann immer so kalt, als würde er nie warm werden.
    »Ist das nicht komisch?«, sagte er. »Mir ist überhaupt nicht kalt.«
    »Warum musstest du denn so früh los?«
    »Ich habe einen Last-Minute-Flug gekriegt, der zu gut war, um ihn sausen zu lassen. Aber ich bin wieder da, ehe du dichs versiehst. Dann wird es total super mit uns.«
    Etwas daran kam mir bekannt vor, und dann fiel mir ein, dass Marcus auch vorhergesagt hatte, dass Alvin mich erst überreden würde, mein ganzes Leben für ihn aufzugeben, und dass dann alles in die Binsen gehen und er mich wieder verlassen würde.
    »Du hast mich angelogen«, sagte ich.
    »Dich angelogen? Jetzt bin ich aber baff. Das musst du mir erklären.«
    »Du hast gesagt, du brauchst mich.«
    »Das ist ganz wunderbar, Joe. Du bist ja gut, dass du das ausgesprochen hast. Du erinnerst dich nicht mal mehr grob an das, was du gestern Abend gegessen hast, aber du behauptest, du hast das absolute Gedächtnis für jedes einzelne Wort, das ich zu dir gesagt habe. Außerdem, wo ist der Unterschied? Ich bin doch noch hier.«
    »Das ist nicht dasselbe.«
    »Komm, jetzt sei nicht gleich schon schlecht gelaunt. Erinnerst du dich noch an den Namen des Motels?«
    »Sag ihn mir noch einmal.«
    »Das White Palms Motel.«
    »Das White Palms Motel.«
    »Es ist echt irre, wie weit weg du bist. Wir sind nicht mal im selben Postbezirk.«
    »Warum gehe ich denn in das Motel, wenn du gar nicht dort bist?«
    »Max ist noch da.«
    »Wer?«
    »Mein Hund«, sagte Alvin. »Wenn ich ihn auf die Weltumsegelung mitnehmen würde, dann würde er sehr wahrscheinlich ertrinken. Daher musst du ihn nehmen, bis ich zurück bin. Er wartet in meinem Zimmer auf dich.«
    »Was soll ich denn mit ihm anstellen?«
    »Futter, Wasser, ab und zu mal mit ihm raus, ansonsten macht er alles total allein. Hunde brauchen noch weniger als wir, um am Leben zu bleiben. Ich würde es einen Gefallen nennen, wenn es nicht so einfach wäre. Falls du meinen Wagen willst, die Schlüssel sind immer im Auspuff. Schaust du dich jetzt mal nach einem Taxi um, oder trinkst du noch das restliche Wasser aus?«
    »Bloß noch ein bisschen.«
    Ich bückte mich, um noch einen letzten langen Schluck Wasser zu trinken. Als ich zum Luftholen wieder hochkam, war Alvin verschwunden. Die beiden Jungs hatten aufgehört, Flaschen zu zerdeppern, und versuchten jetzt, einander in den Brunnen zu stoßen. Sonst waren alle weg.
    »Das White Palms Motel.« Ich wiederholte den Namen laut, bis ich einen Taxifahrer fand, dem ich ihn sagen konnte. Es war keine billige Taxifahrt. Ich war wirklich weit gelaufen. Ich erkannte das Motel auf den ersten Blick und auch das kleine Restaurant daneben, wo wir am Abend davor gegessen hatten. Alvins Wagen stand auf dem Parkplatz. Das war jetzt wohl meiner. Ich war bis dahin noch nie in einem Motel gewesen, allerdings hatte ich schon viele im Fernsehen gesehen. Die Lobby war ein bisschen wie ein altes Kino, mit dem Tresen und so weiter, nur, dass es weniger freundlich war und mehr nach Zigaretten roch. Die gerahmten Bilder an den Wänden waren alles Fotos des Motels im Lauf der Jahre. Die Decke war mit einem weißen Tuch bezogen, das in dem Wind von draußen flatterte. Der Mann hinterm Tresen sah fern ohne Ton, auf seinem winzigen Radio lief klassische Musik. Er war schon sauer auf mich. Wahrscheinlich hatte Alvin keinem gesagt, dass er den Hund auf seinem Zimmer gelassen hatte, und der Hund hatte den ganzen Tag gebellt, und keiner hatte reingewollt, um ihn zu beruhigen.
    »Ziemlich unangenehme Überraschung für das Zimmermädchen«, sagte er. »Außerdem sind Hunde hier sowieso verboten. Noch eine Stunde, dann hätte ich im Tierheim angerufen.«
    Ich war es gewöhnt, dass Leute wegen etwas, was Alvin gemacht hatte, wütend auf mich waren. Er machte viele wütend. So lebte er eben. Auch ich war mein ganzes Leben auf Tilt, meistens sogar schlimmer, aber bei Alvin war es anders, weil es aussah, als machte er es mit
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