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Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition)
Autoren: Neal Shusterman
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Entschuldigung vielleicht sogar annehmen. Vielleicht würde er ihm sogar vergeben und ihm sagen, dass er nicht zu Hause sein würde, wenn die JuPos ihn abholten.
    Aber dann sagt sein Vater nur: »Hast du abgeschlossen?«
    »Mach ich gleich.«
    Connor schließt die Haustür ab und geht in sein Zimmer. Der Hunger, auf was immer seine Mutter für ihn aufgehoben hat, ist ihm vergangen.
    Um zwei Uhr morgens zieht sich Connor schwarze Sachen an und packt die Dinge in seinen Rucksack, die ihm etwas bedeuten. Danach hat er immer noch Platz für genug Kleidung zum Wechseln. Er ist überrascht, wie wenige Gegenstände er wirklich mitnehmen möchte. Hauptsächlich sind es Erinnerungen an eine Zeit, bevor alles so falsch gelaufen ist zwischen ihm und seinen Eltern. Zwischen ihm und dem Rest der Welt.
    Connor späht vorsichtig zu seinem Bruder hinein, überlegt kurz, ob er ihn wecken soll, um sich zu verabschieden, verwirft den Gedanken aber gleich wieder. Leise schlüpft er in die Nacht hinaus. Sein Fahrrad kann er nicht nehmen. Er hat eine Peilsender-Diebstahlsicherung eingebaut. Damals konnte er ja nicht damit rechnen, dass er es vielleicht selber einmal stehlen würde. Ariana hat Fahrräder für sie beide.
    Normalerweise braucht Connor zu Fuß zwanzig Minuten bis zu Arianas Haus. Aber in Ohio verlaufen die Straßen in den Vororten nie ganz gerade, deshalb nimmt er den direkten Weg durch den Wald und ist in zehn Minuten da.
    Das Haus ist dunkel. Das hat er erwartet. Ihre Eltern wären misstrauisch geworden, wenn Ariana die ganze Nacht aufgeblieben wäre. Besser, sie tut so, als ob sie schläft. Connor hält Abstand zum Haus. Die Lampen im Garten und auf der vorderen Veranda haben Bewegungsmelder und schalten sich ein, wenn sich in ihrem Umfeld etwas rührt. Das soll wilde Tiere und zwielichtige Gestalten abschrecken. In den Augen von Arianas Eltern trifft beides auf Connor zu.
    Er holt sein Handy heraus und wählt Arianas Nummer. Von seinem Standort im dunklen hinteren Teil des Gartens hört er es in ihrem Zimmer klingeln. Connor legt rasch auf und zieht sich noch weiter ins Dunkle zurück, falls ihre Eltern aus dem Fenster schauen. Was sollte das denn? Wieso hat sie ihr Handy nicht auf Vibration gestellt?
    Connor schlägt einen großen Bogen um den Garten, immer auf Distanz zu den Bewegungsmeldern. Ein Licht leuchtet zwar auf, als er die vordere Veranda betritt, aber nur Arianas Zimmer hat ein Fenster in diese Richtung. Ein paar Augenblicke später kommt sie zur Tür, öffnet sie aber nicht weit genug, dass sie heraus oder er hinein gehen könnte.
    »Hi, bist du fertig?«, fragt Connor. Offensichtlich nicht: Sie trägt einen Morgenmantel über ihrem Satinpyjama.
    »Hast du es etwa vergessen?«
    »Nein, nein, ich hab’s nicht vergessen …«
    »Dann beeil dich! Je schneller wir hier wegkommen, desto mehr Vorsprung haben wir.«
    »Connor«, sagt sie, »die Sache ist …«
    Und die Wahrheit liegt in ihrer Stimme, darin, wie schwer es ihr fällt, nur seinen Namen auszusprechen, an dem entschuldigenden Zittern, das wie ein Echo in der Luft schwebt. Sie muss nichts weiter sagen, er weiß Bescheid, aber er lässt sie dennoch reden. Denn es fällt ihr schwer, und er möchte, dass es ihr schwerfällt. Es soll ihr schwerer fallen als alles, was sie je im Leben getan hat.
    »Connor, ich würde wirklich gern abhauen, echt … Aber gerade jetzt ist es total schlecht. Meine Schwester heiratet, und du weißt ja, ich bin Trauzeugin. Und dann die Schule.«
    »Du hasst die Schule. Du hast gesagt, du schmeißt sie, sobald du sechzehn bist.«
    »Ich hab gesagt, ich lege eine Befreiungsprüfung ab«, sagt sie. »Das ist was völlig anderes.«
    »Dann kommst du nicht mit?«
    »Ich würde gerne, echt … Aber ich kann nicht.«
    »Also war alles, worüber wir gesprochen haben, gelogen?«
    »Nein«, sagt Ariana. »Es war ein Traum. Die Wirklichkeit ist dazwischengekommen. Das ist alles. Und abhauen löst keine Probleme.«
    »Abhauen ist der einzige Weg, mein Leben zu retten«, zischt Connor. »Ich soll umgewandelt werden, falls du das vergessen hast.«
    Sie berührt sanft sein Gesicht. »Ich weiß. Aber ich nicht.«
    Da geht oben an der Treppe ein Licht an, und Ariana schiebt die Tür reflexartig noch ein Stück weiter zu.
    »Ari?«, hört Connor ihre Mutter. »Was ist los? Was machst du an der Tür?«
    Connor tritt ein paar Schritte zurück, um außer Sicht zu sein, und Ariana dreht sich zur Treppe um. »Nichts, Mom. Ich dachte, ich hätte
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