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Voll im Bilde

Voll im Bilde

Titel: Voll im Bilde
Autoren: Terry Pratchett
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Finger zuckten nervös. Der Blick des Patriziers schien ihn zu durchbohren. Es war ein Blick, der sowohl durchbohrte als auch schweigende Leute dazu brachte, ihr Schweigen zu beenden – selbst wenn sie glaubten, alles gesagt zu haben.
    Nur der Patrizier wußte, wieviele Spione in der Stadt für ihn arbeiteten. Dieser besondere Spitzel war Diener in der Alchimistengilde. Vor einigen Monaten hatte man ihn des arglistigen Herumlungerns bezichtigt und in den Palast des Patriziers gebracht, wo er sich aus freiem Willen dazu bereit erklärte, fortan ein Spion zu sein. 3
    »Das ist alles, Euer Exzellenz«, wimmerte er. »Ich habe nur ein komisches Klicken gehört und eine Art Flackern unter der Tür gesehen. Und, äh, jemand sagte, das Tageslicht sei verkehrt.«
    »Verkehrt? Wieso?«
    »Äh, ich weiß es nicht, Herr. Einfach nur verkehrt. Und sie beschlossen, einen Ort aufzusuchen, wo das Tageslicht besser ist. Äh. Und sie forderten mich auf, ihnen eine Mahlzeit zu holen.«
    Der Patrizier gähnte. Er empfand das sonderbare Verhalten von Alchimisten als überaus langweilig.
    »Ach, tatsächlich?« fragte er.
    »Obwohl sie erst eine Viertelstunde vorher etwas gegessen hatten«, fuhr der Diener und Spion fort.
    »Vielleicht haben sie sich mit irgend etwas beschäftigt, das appetitanregend wirkt«, spekulierte der Patrizier.
    »Ja, und die Küche war bereits geschlossen, und ich mußte heiße Würstchen in Brötchen kaufen. Von Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper.«
    »Interessant.« Der Patrizier betrachtete die Papiere auf seinem Schreibtisch. »Danke. Du kannst jetzt gehen.«
    »Und weißt du was, Euer Exzellenz? Sie haben ihnen geschmeckt. Sie fanden die Würstchen lecker!«
     
    Es war erstaunlich genug, daß die Alchimisten überhaupt eine Gildenhalle hatten. Zauberer verabscheuten die Zusammenarbeit, aber sie wußten Hierarchien zu schätzen und neigten zu ausgeprägtem Ehrgeiz. Sie brauchten Organisation. Was nützte es, ein Magus der siebten Stufe zu sein, wenn man nicht auf sechs andere Stufen hinabsehen und die achte anstreben konnte? Die Zauberer benötigten andere Zauberer, um sie zu hassen und zu beneiden.
    Alchimisten hingegen zeichneten sich durch sehr individualistische Einstellungen aus. Sie arbeiteten allein in dunklen Zimmern oder finsteren Kellern und hofften die ganze Zeit über, den großen Durchbruch zu erzielen, indem sie den Stein der Weisen oder das Elixier des Lebens entdeckten. In den meisten Fällen handelte es sich um dünne Männer mit blutunterlaufenen Augen und Bärten, die eigentlich gar keine richtigen Bärte waren, sondern Gruppen einzelner Haare: Sie bildeten Büschel, um sich gegenseitig zu schützen. Darüber hinaus trugen viele von ihnen jenen verträumten und entrückten Gesichtsausdruck, den man bekommt, wenn man zuviel Zeit in der Nähe von kochendem Quecksilber verbringt.
    Alchimisten begegneten anderen Alchimisten nicht etwa mit Haß. Oft übersahen sie ihre Kollegen einfach oder hielten sie für Walrosse.
    Ihre kleine, oft verspottete Gilde hatte nie versucht, den Status der anderen und viel einflußreicheren Gilden zu erreichen, in denen sich zum Beispiel Diebe, Bettler und Assassinen zusammenschlossen. Statt dessen beschränkten sie sich darauf, den Witwen und Familien verstorbener Alchimisten zu helfen, die zu sorglos mit Kaliumzyanid – auch Zyankali genannt – umgegangen waren oder interessante Pilze destilliert und das Ergebnis ihrer Arbeit getrunken hatten, um anschließend vom Dach zu springen und mit den Feen zu tanzen. Natürlich gab es nicht sehr viele Witwen und Waisen, denn in der Regel fanden Alchimisten nur wenig Zeit für die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen. Wenn sie heirateten, so gab es dafür häufig nur einen Grund: Sie brauchten jemanden, der ihre Schmelztiegel hielt.
    Im großen und ganzen hatten die Alchimisten von Ankh-Morpork nichts anderes gelernt, als Gold in weniger Gold zu verwandeln.
    Bis jetzt…
    Jetzt waren sie so aufgeregt wie Leute, die auf ihrem Bankkonto völlig unerwartet ein Vermögen finden und überlegen, ob sie sich nach dem Grund dafür erkundigen oder das Geld abheben und damit verschwinden sollen.
    »Den Zauberern gefällt es bestimmt nicht«, sagte einer von ihnen, ein hagerer, unschlüssiger Mann namens Lully. »Bestimmt nennen sie es Magie. Und ihr wißt, wie sehr sie sich ärgern, wenn jemand magische Kunststücke vollbringt, ohne Zauberer zu sein.«
    »Magie hat überhaupt nichts damit zu tun«, erwiderte Thomas
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