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Voll im Bilde

Voll im Bilde

Titel: Voll im Bilde
Autoren: Terry Pratchett
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Magie zur Verfügung steht.«
    »Ich dachte, sie wollen die Steine der Weisen räuchern oder so«, entgegnete der Erzkanzler. »Ein Haufen Unsinn, wenn du mich fragst. Wie dem auch sei: Ich gehe jetzt.«
    Ridcully trat zur Tür, und der Quästor winkte hastig mit einigen Papieren.
    »Bevor du uns verläßt, Herr…«, stieß er verzweifelt hervor. »Vielleicht könntest du einige Dokumente unterschreiben.«
    »Nicht jetzt«, schnappte Ridcully. »Muß zu einem Pferdehändler. Wegen eines Pferds. Was?«
    »Was?«
    »Genau.« Die Tür schloß sich.
    Der Quästor blinzelte und seufzte.
    Im Lauf der Jahre hatten viele Erzkanzler die Unsichtbare Universität geleitet. Große, kleine, schlaue, ein wenig verrückte und vollkommen übergeschnappte. Sie kamen und gingen. Sie erfüllten ihre Aufgabe – manche allerdings blieben nicht lange genug im Amt, bis das offizielle Gemälde für den Großen Saal fertig war –, und sie starben. Der oberste Zauberer in einer Welt der Magie hatte etwa die gleiche Lebenserwartung wie ein Pogostock-Tester in einem Minenfeld.
    Doch aus der Perspektive des Quästors gesehen spielte das kaum eine Rolle. Der Name mochte sich ab und zu ändern, wichtig war nur, daß es immer einen Erzkanzler gab. Und die wichtigste Aufgabe des Erzkanzlers bestand – nach Ansicht des Quästors – darin, Dokumente zu unterzeichnen. Ohne sie zu lesen, wenn sich das vermeiden ließ.
    Dieser Erzkanzler war ganz anders. Zuerst einmal: Er hielt sich eher selten in der Unsichtbaren Universität auf, kam meistens nur, um seine schmutzige Kleidung zu wechseln. Und er schrie Leute an, vor allem den Quästor.
    Zunächst schien es eine gute Idee gewesen zu sein, jemanden zum Erzkanzler zu wählen, der die Unsichtbare Universität seit vierzig Jahren nicht betreten hatte.
    Zwischen den verschiedenen thaumaturgischen Bruderschaften fanden seit einiger Zeit so erbitterte Auseinandersetzungen statt, daß sich die älteren Magier auf einen Kompromiß einigten: Die Universität brauchte einige Monate der Stabilität, damit sie in aller Ruhe neue Intrigen planen konnten. Bei der Suche in den Aufzeichnungen fanden sie den Namen »Ridcully der Braune«. Schon im Alter von nur siebenundzwanzig Jahren war er zu einem Magus der siebten Stufe geworden und hatte die Universität verlassen, weil er sich um den Bauernhof seiner Eltern kümmern wollte.
    Der ideale Kandidat.
    »Genau der richtige Bursche«, meinten alle. »Neue Besen kehren gut. Ein Zauberer vom Land. Zurück zu den Dingsbums, den Ursprüngen der Magie. Ein freundlicher alter Knabe mit Pfeife und humorvoll blickenden Augen. Jemand, der die einzelnen Kräuter voneinander unterscheiden kann, Wälder durchstreift und alle Tiere für Freunde des Menschen hält und so. Schläft vermutlich unter freiem Himmel. Weiß bestimmt, was der Wind flüstert, es sollte uns nicht überraschen. Kennt die Namen aller Bäume, kein Zweifel. Und sicher spricht er auch mit den Vögeln.«
    Man schickte einen Kurier. Ridcully der Braune seufzte, fluchte, holte seinen Zauberstab aus dem Gemüsegarten – zusammen mit einigen alten Kleidungsstücken diente er dort als Vogelscheuche – und machte sich auf den Weg.
    »Und wenn er irgendwelche Probleme macht…«, fügten die Zauberer in der privaten Welt ihrer Gedanken hinzu. »Es sollte überhaupt nicht schwer sein, jemanden loszuwerden, der mit Bäumen redet.«
    Und dann kam Ridcully der Braune, und es stellte sich heraus, daß er tatsächlich mit den Vögeln sprach. Meistens schrie er sie an und benutzte dabei Ausdrücke wie: »Verdammte Flügelbiester!«
    Alle Tiere der Erde und der Luft kannten Ridcully den Braunen. Im Bereich des Bauernhofes hatten sie so unangenehme Erfahrungen gesammelt, daß in einem Umkreis von zwanzig Meilen der Anblick eines spitz zulaufenden Huts genügte, um sie zu veranlassen, sofort zu fliehen, sich irgendwo zu verstecken oder – in besonders verzweifelten Fällen – anzugreifen.
    Innerhalb von zwölf Stunden nach seiner Ankunft brachte Ridcully folgendes fertig: Er verwandelte die Speisekammer des Dieners in einen Stall für Jagddrachen; er schoß mit seiner schrecklichen Armbrust auf die Raben im alten Kunstturm; er trank ein Dutzend Flaschen Rotwein; um zwei Uhr morgens rollte er aus dem Bett und sang ein Lied mit Wörtern drin, die einige der älteren und vergeßlichen Zauberer in einem Lexikon nachschlagen mußten.
    Um fünf stand er auf, um im nächsten Sumpf Enten zu jagen.
    Als er zurückkehrte, klagte er
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