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Voll das Leben (German Edition)

Voll das Leben (German Edition)

Titel: Voll das Leben (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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karrte?
    Ferrit lächelte schmal.
    „Nein, ich leite keine Verbrecherorganisation und mein Kurierdienst ist so sauber wie frischer Schnee. Ich stehe ‚dazwischen’. Ich schütze die Leute auf deiner Seite, so gut es in meiner Macht steht, damit sie naiv und unschuldig bleiben können. Ich schütze die Leute auf meiner Seite, vor euch und vor sich selbst. Damit sie auch naiv und unschuldig ihr Leben führen dürfen, so wie es richtig für sie ist. Meine Macht ist nicht groß, aber ich werde respektiert.“ Er stand auf und winkte Nick zu, der ihm wie betäubt zurück nach draußen folgte.
    „Danke. Danke für das, was du für Jan getan hast“, murmelte er.
    „Er wohnt dort drüben.“ Ferrit wies zu einem Gebäude, wo ein Schild mit der Aufschrift „Stundenhotel“ blinkte. „Er hat ein hübsches Zimmer, abseits vom Publikum, das Zweisamkeit sucht.“
    „Gut“, sagte Nick. „Sag ihm bitte, dass ich sein Geld nicht haben will.“ Er drückte Ferrit den Zwanziger in die Hand, den Jan ihm gegeben hatte, verabschiedete sich und ging zügig davon. Er nahm die Warnung, die ihm zwischen den Zeilen über diese Gegend gegeben wurde, durchaus ernst. Sehr ernst sogar. Über alles andere musste er erst einmal nachdenken.
     
    ~*~
     
    „Und nun?“, fragte Birgül, als Ferrit die Tür sorgsam schloss. Er überlegte ein wenig, dann lächelte er.
    „Du musst jetzt tapfer sein. Wenn Jan in den nächsten Wochen hungrig aussieht, biete ihm nichts an. Er wird nicht betteln, du kennst ihn. Er wird jeden Cent beiseite legen, um seine Schulden zu begleichen. Es soll ihm schwer fallen.“
    „Ich kann das arme Baby doch nicht hungern lassen!“, begehrte Birgül auf, aber Ferrit legte mit einem Lachen den Arm um ihre Schultern. „Aşk ilahi bir güç – Die Liebe ist eine Himmelsmacht. Manchmal müssen wir hier auf der Erde eben ein wenig nachhelfen. Wenn Jan dich anfleht oder es zu lange dauert, gib ihm was, aber nur dann. Entweder, er kämpft und bringt Opfer, dann haben die beiden eine Chance. Oder er gibt auf und hofft darauf, dass Niklas sein Geld wirklich nicht wiederhaben will. Dann war es von vorneherein hoffnungslos.“
    „Ich habe sie gesehen. Da ist jede Menge Hoffnung.“
    Zufrieden küsste er sie. Wenn Birgül das sagte, war die Sache schon fast besiegelt.
     
    ~*~
     
    Nervös drückte sich Jan am Hauseingang herum. Es hatte ihn beinahe zehn Minuten gekostet, genug Mut zu sammeln, bei Nick zu klingeln. Als der nicht öffnete, wäre er beinahe wieder gefahren. Es war verführerisch. Einfach den Umschlag mit dem restlichen Geld in den Briefkasten werfen, verschwinden, fertig. Dann hätte er seine Schuld beglichen und alles war gut. Aber er wollte sich entschuldigen und das hielt ihn hier fest. Entschuldigen für den Diebstahl und seine ruppige Art. Ja, Nick hatte ihn jahrelang wie einen Fußabtreter behandelt, doch er hatte ihm auch das Leben gerettet. Dafür hatte er sich nicht einmal bedankt!
    Nach einer Stunde war es mit seiner Entschlossenheit vorbei. Er fror, heute war es für die letzte Augustwoche arg kalt, und es wurde bereits dunkel. Enttäuscht steckte Jan den Umschlag in die Jackentasche und schwang sich wieder auf sein Fahrrad, das er auch für private Fahrten nutzen durfte. Ein Luxus, den er bislang kaum in Anspruch genommen hatte – wo sollte er schon hin?
    Jan hatte drei Wochen lang fast nur von trockenen Brötchen gelebt, um so schnell wie möglich das Geld zusammenzusparen. Die Quälerei sollte sich wenigstens lohnen. Diese eine Begegnung mit Nick musste einfach sein!
    Er wich einem Auto aus, das etwas forsch um die Ecke gebrettert kam. Erst im Nachhinein wurde ihm bewusst, dass es Nicks Wagen war und kehrte hastig um.
    „Warte!“, rief er, als er sah, wie Nick im Hauseingang verschwand. Außer Atem sprang er vom Rad und schaffte es gerade noch, die zufallende Tür aufzuhalten und durchzuschlüpfen. Schweigend standen sie sich im dunklen Hausflur gegenüber. Nick wirkte überrascht, Jan wusste hingegen nichts mehr von dem, was er hatte sagen wollen. Auch als Nick den Lichtschalter fand und sie sich nun deutlich sehen konnten, fand er keine Worte. Dieser Mann hatte ihm so sehr weh getan, immer wieder, über viel zu lange Zeit. Wie sollte er sich jetzt bedanken? Und dazu entschuldigen?
    Nick stand auf der ersten Stufe der Treppe, wodurch er ihn noch mehr als sonst überragte.
    „Hi“, sagte er schließlich, ohne den Blick von Jans Gesicht zu lösen.
    „Hi“, flüsterte Jan. Sein Herz
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