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Voll auf Ex-Kurs Roman

Titel: Voll auf Ex-Kurs Roman
Autoren: Lena Gold
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das ist er also, unser Henker. Wir folgen ihm in einen schlichten Raum, der eher an ein Behörden-Büro als einen Sitzungssaal erinnert. Ein schlichter weißer Schreibtisch mit einem Stuhl dahinter und vier Stück davor, an der Wand ein Regal mit ein paar Büchern und Gesetzessammlungen, das einzige Fenster zeigt in einen tristen Innenhof. Hätte ich mir alles ein bisschen feierlicher vorgestellt und nicht so … deprimierend. Damals, als Philip und ich geheiratet
haben, richtig schön mit Kirche, Blumenschmuck, Brautkleid und allem Drum und Dran, hat es mir deutlich besser gefallen. Aber ein dem Anlass entsprechendes Ambiente hat wahrscheinlich auch seine Vorteile, da haben romantische Gedanken wenig Chancen, überhaupt erst aufzukommen.
    »Nehmen Sie bitte Platz.« Philip und ich hocken uns auf die zwei Plastikstühle in der Mitte vor dem Schreibtisch. Der Richter setzt sich dahinter, unsere Anwältin nimmt seitlich von uns Platz. Und dann geht es los.
    Der Mann in der schwarzen Robe beginnt, unsere Namen, Geburtsdaten und Adressen in ein kleines Aufnahmegerät zu sprechen. Dann nennt er das Datum unserer standesamtlichen Trauung, seit wann das Trennungsjahr läuft und dass die Ehefrau – also ich – beantragt, die Ehe zu scheiden. Er spricht immer weiter, mittlerweile rauschen nur noch Wortfetzen an mir vorüber, ich meine, etwas von »Unterhaltsverzicht« und »ausgeschlossenem Versorgungsausgleich« zu verstehen, kann mich aber auch irren. Ich werfe Philip einen unauffälligen Seitenblick zu, noch immer verzieht mein Gleich-Exmann keine Miene, sondern starrt den Richter nur wortlos an. Am liebsten würde ich seine Hand nehmen und sie drücken, ich kann mich nur schwer beherrschen, diesem Impuls nicht zu folgen. Lass ihn, Pia, beschwöre ich mich in Gedanken immer wieder, lass ihn, du musst ihn gehen lassen, das bist du ihm schuldig.
    »Die Ehe ist also zu scheiden, weil sie gescheitert ist«, teilt der Richter als Nächstes mit. Und ehe ich noch kurz dazwischengehen kann, um dem netten Mann in der schwarzen Robe zu erklären, dass nicht die Ehe, sondern ich, Pia Weiland, ganz persönlich gescheitert bin, weil ich der allergrößte Depp bin, der auf Gottes Erdboden wandelt, macht er auch
schon weiter und wendet sich an mich: »Frau Weiland, ist es Ihr Wunsch, dass die Ehe geschieden wird?« Nein, nein, auf gar keinen Fall, ich will das nicht, hören Sie endlich auf damit, ich möchte mit meinem Mann nach Hause gehen, damit alles wieder gut werden kann, ich habe aus meinen Fehlern gelernt und will doch einfach nur mit Philip ein glückliches Leben führen und ihm bald einen Stall voller Kinder schenken! »Frau Weiland?«
    »Äh«, krächze ich. Hole noch einmal tief Luft und murmele dann ein resigniertes »Ja«.
    »Und Sie, Herr Weiland«, fragt er Philip.
    »Stimmen Sie dem Scheidungsantrag zu?«
    »Nein.« Häh? Mein Kopf fährt zu Philip herum. Und nicht nur meiner, auch unsere Anwältin und der Richter glotzen ihn ziemlich überrascht an. Er sitzt ganz ruhig und gelassen vorm Richtertisch, nickt und wiederholt dann noch einmal: »Sie haben ganz richtig gehört: Nein, ich stimme dem Antrag nicht zu.« Jetzt blickt er zur Seite und sieht mich an, richtet seine großen schokobraunen Augen direkt auf mich. Ein zaghaftes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. »Ich will nicht geschieden werden, weil ich meine Frau liebe und mit ihr bis ans Ende meiner Tage zusammenbleiben will.«
    »Also«, setzt der Richter an, wird aber von Philip unterbrochen.
    »Willst du das auch?«, fragt er mich, und mit einem Mal spüre ich bei ihm eine nahezu greifbare Unsicherheit. Eine Sekunde lang bin ich noch bewegungsunfähig, dann falle ich ihm weinend um den Hals.
    »Natürlich will ich das!«, schluchze ich vor Freude. Dann springen wir beide von unseren Stühlen auf und fallen uns wieder um den Hals, drücken uns so fest aneinander, als würden wir uns nie, nie wieder loslassen wollen. »Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche, als deine Frau zu bleiben!«, flüstere
ich – immer noch schluchzend – in sein Ohr. Philip schiebt mich ein Stückchen von sich weg, mustert mich kurz – und dann nimmt er mich wieder in den Arm und gibt mir den schönsten und längsten Kuss, den ich je erlebt habe.
    Wir hören gar nicht mehr auf, uns zu küssen, eine gefühlte Ewigkeit stehen wir nur so da und liegen uns in den Armen. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie der Richter und unsere Anwältin leise an uns vorbeischleichen, ein
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