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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild
Autoren: Richard Auer
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Sogar unser Bischof
ist so ein Grüner.« Der Inspektionsbeamte sah Morgenstern plötzlich prüfend an,
dann sagte er: »Apropos Bischof, da fällt mir etwas ein. Was machst du
eigentlich am Donnerstagvormittag?«
    »An diesem Donnerstag? Am Feiertag?«
    »Ganz genau. An Fronleichnam.«
    »Da mache ich mit meiner Familie eine Radtour.«
    Binder grinste: »Da habe ich aber eine viel bessere
Idee. Geh am besten gleich mal zu unserem Inspektionsleiter rauf in den ersten
Stock. Du kommst uns wie gerufen.« Lächelnd nahm er den Telefonhörer und
kündigte den völlig ratlosen Mike Morgenstern beim Inspektionsleiter
Hauptkommissar Manfred Huber an. »Wegen Fronleichnam, Sie wissen schon … Genau,
Morgenstern von der Kripo Ingolstadt … Nein, der wohnt doch bei uns in
Eichstätt … Das weiß ich nicht.« Der Kollege legte eine Hand auf die
Hörermuschel und wandte sich an Morgenstern: »Bist du katholisch?«
    »Warum willst du das denn wissen? Getauft bin ich
schon, aber so richtig katholisch schon lange nicht mehr …«
    »Er ist katholisch«, verkündete Binder triumphierend
seinem Chef und trug dabei wieder dieses sonderbare Lächeln zur Schau. »Rauf
mit dir«, sagte er zu Morgenstern, als er aufgelegt hatte. Dann deutete er mit
dem Zeigefinger an die Decke, zum ersten Stock hinauf. »Du wirst schon
sehnsüchtig erwartet.«
    Hauptkommissar
Huber redete nicht lange um den heißen Brei herum. »Lieber Kollege Morgenstern.
Am Donnerstag findet bei uns in Eichstätt doch die große
Fronleichnamsprozession statt, die durch die gesamte Altstadt führt. Mit
Bischof und allem Pipapo. Die Polizeiinspektion Eichstätt hat unter meiner
Führung dabei die wichtige Aufgabe, den Bischof mit der Monstranz in
Ehrenformation zu begleiten. Leider sind wir dafür im Moment noch zu wenig
Leute, weshalb wir jeden Mann benötigen. Ich habe da an Sie als unseren Retter
gedacht.«
    Morgenstern war baff. »An mich? Aber ich gehöre doch
gar nicht zu Ihrer Inspektion!«
    »Das macht überhaupt nichts. Die Ingolstädter leihen
Sie uns bestimmt ganz problemlos aus. Das ist doch Ehrensache. Ich muss nur
kurz mit Kriminaldirektor Schneidt telefonieren, dann ist das geritzt. Das
machen wir auf dem ganz kleinen Dienstweg.« Er grinste.
    »Das geht mir jetzt aber zu schnell«, versuchte
Morgenstern zu protestieren, »ich war bestimmt schon zwanzig Jahre lang in
keiner Kirche mehr.«
    »Na, dann wird es doch höchste Zeit, dass wir das mal
wieder üben, mein lieber Morgenstern«, schmunzelte Huber unbeirrbar. »Außerdem
ist das alles ganz simpel. Wir gehen zu sechst neben dem Bischof mit der Monstranz
her und machen ein möglichst feierliches Gesicht. Das ist alles.«
    »Können das nicht vielleicht Kollegen machen, die
frömmer sind als ich?«, bat Morgenstern verzweifelt. »Eigentlich hatte ich den
Feiertag auch schon verplant.«
    »Leider nein. Alle Kollegen, die nicht im Urlaub und
nicht zum Inspektionsdienst eingeteilt sind, habe ich bereits verpflichtet.«
    »Aber ich könnte doch für die Prozession den Verkehr
regeln? Sozusagen als Angebot unter Freunden?«
    Huber winkte ab: »Alles schon längst geklärt. Das machen
unsere Beamten, die evangelisch sind.«
    Geschlagen gab Morgenstern den Kampf gegen die
Prozession auf und fügte sich seinem offensichtlich unvermeidlichen Schicksal.
Wie es aussah, würde er noch lange in Eichstätt leben, und da konnte ein
bisschen guter Wille, der vor den Polizeikollegen demonstrativ zur Schau
gestellt wurde, nicht schaden. Er hatte vor, so auch bei Fiona zu
argumentieren. Seine Frau, das ahnte er, würde von den neuen Plänen alles
andere als begeistert sein.
    »Also gut, was muss ich tun?«, gab er nach.
    »Heute ist, warten Sie mal, Dienstag. Wir treffen uns
morgen um fünfzehn Uhr hier in der Inspektion. Dann wirst du eingekleidet … Ich
sage jetzt einfach mal Du«, fügte er erklärend hinzu, »wir
Prozessionsteilnehmer gehören doch alle zusammen. Also: Ich bin der Manfred.«
    »Mike«, erwiderte Morgenstern verhalten und schüttelte
Huber zur Bekräftigung ihrer neuen, katholisch inspirierten Beziehung die Hand.
Beim Volleyballspielen waren beide noch beim distanzierten Sie geblieben. Der
Glaube versetzt eben doch Berge, dachte Morgenstern.

DREI
    Wie vereinbart fand sich Morgenstern am
Mittwochnachmittag in der Polizeiinspektion Eichstätt ein, um die Galagarderobe
für den Fronleichnamszug das erste Mal in Augenschein zu nehmen. Die
Kleiderkammer, ein schmaler, langer und fensterloser Raum, befand
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