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Vogelweide: Roman (German Edition)

Vogelweide: Roman (German Edition)

Titel: Vogelweide: Roman (German Edition)
Autoren: Uwe Timm
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Galerie zu fragen, von der ihm Selma und Ewald erzählt hatten.

    Die erste Galerie hatte sie, bevor sie nach Los Angeles umzog, in Tribeca in einer Garage eröffnet, das war der Anfang, jemand hatte sie auf den leerstehenden Raum aufmerksam gemacht. Sie hatte ihn ausgeräumt. Viele Reifen. Altes Werkzeug. Dinge, die dich als Hobbymechaniker interessiert hätten. Ein Motor, von dem mir ein Mechaniker sagte, der stamme noch von einem alten Ford. Ihre Freunde in New York fanden es sexy, wie sie diese Garage entrümpelt hatte, im Blaumann und mit Arbeitshandschuhen, und wie sie danach mit einem Freund die Garage gestrichen hatte, weiß, aber so, dass das Ziegelwerk zu erkennen war.
    Der Freund, Maler?
    Nein, Jazzmusiker. Und nach einem kleinen Zögern sagte sie, er hat mir sehr geholfen, nicht nur beim Entrümpeln der Garage. Er war die Neue Welt. Kam aus St. Louis, ein Schwarzer, spielt Saxophon. Brian. Unter Kennern hat er einen guten Namen. Ich habe ihn bei Freunden kennengelernt. Und dann hat er SMS geschrieben, morgens, mittags und abends. Sogar wenn er spielte und mal Pause hatte.
    Du warst mal strikt dagegen.
    Ja, aber jetzt, also dort, ja, ich bin inzwischen ganz schnell geworden.
    Eine starke Unruhe überfiel Eschenbach, dieser Mann, der für ihn nur ein Name war, aber der Gedanke, wie er mit ihr zusammen gewesen war, die Vorstellung war sogleich eine andere, wildere als die, die er mit Herbert, ihrem jetzigen Freund, verband. Wahrscheinlich, weil er Jazz spielte, was Eschenbach gern gekonnt hätte, wahrscheinlich, weil dieser Brian, wie Eschenbach glaubte, jünger als er selbst war.
    Brians Auftauchen war ungewohnt für die Kinder gewesen, und am heftigsten hatte sich die Tochter gewehrt. Sie war abweisend bis zur Ungezogenheit. Ich habe es vermieden, vor den Kindern mit ihm Zärtlichkeiten auszutauschen, nicht etwa, weil Brian schwarz war, sondern weil ich das auch bei den anderen Männern nie getan habe. Auch mit Ewald waren es nur Küsse, ein Auf-den-Mund-Küssen, aber familiär. Bei Brian habe ich noch weit mehr auf diese Distanz geachtet. Vielleicht war aber eben das der Grund, warum er den Kindern so fremd blieb.
    Und was macht er, Herbert?
    Der ist an der Uni. Unterrichtet spanische Literatur.

    Er hob den Deckel von dem Topf, in dem die Kartoffeln kochten, und beobachtete, wie das Wasser in einem eigentümlich ruhigen Rhythmus aufwallte und wieder zurückfiel. Kein heftiges Brodeln.
    Er nahm das gut geschliffene Messer, sagte, warte, und ging hinaus. Er zog die Schollen nacheinander aus dem Bottich, stach mit dem spitzen Messer hinter die Köpfe und nahm die Innereien heraus.

    Was ist das für ein Heulen?, fragte sie, als er wieder in die Hütte kam.
    Die Ertrunkenen, die ihre Knochen am Ufer suchen. Behauptete meine Vorgängerin. Musste mich auch daran gewöhnen. Das Schlürfen, dann dieser helle Ton. Es ist der Wind im Schornstein.
    Sie am Tisch, ein Anblick, der ihm dieses Empfinden von der früheren unbedingten Nähe gab, wie sie dasaß in dem schwarzen Rollkragenpullover, den Jeans, und die Hütte mit dem Geruch eines fruchtig süßen Parfums erfüllte, ein fremder Geruch, der ihn an Süden, an das Wort Resedagrün denken ließ. Wegen dieses Dufts zögerte er, die Schollen in die Pfanne zu legen.
    Schreibst du, fragte sie und zeigte auf die Abschriften der Gesprächsprotokolle, die er vor drei Jahren angefertigt hatte.
    Eine Recherche. Für ein Meinungsforschungsinstitut.
    Und worüber?
    Über das Begehren.
    Und dann?
    Habe es abgebrochen. Meinungsverschiedenheiten. Inzwischen sammelt sich all das, was nicht zu Ende geführt ist. Jetzt habe ich die Schicksale hier herumliegen, ein Haufen Papier.

    Das Begehren, das ist doch alles und es ist nichts. Eine graue Katze in der Nacht.
    Eschenbach ergriff die Topflappen und hob den Topf mit den Roten Beten vom Herd, sagte, ich hoffe, du magst Kumin und Kardamom. Ist schon wahr, es ist alles und nichts, aber eben doch eine Katze. Was und wie und wann wird es zu dem Alles oder Nichts. Nicht die Begierde, nicht die Gier, sondern das, was unser Bild ist, was die Sinne leitet. Und wie und woher das Bild?
    Ach herrje, sagte sie, hob die Reisetasche auf den Tisch, das hat mich begleitet, und holte eine Rotweinflasche heraus.
    Passt zwar nicht zum Fisch, aber ich bin sicher, das Grau der Katze wird rot. Kommt von einem kleinen Weingut. Da hast du alles in einem guten Schieferboden mit Kalkeinschlüssen, eine gute Traube, Blaufränkisch, ein gutes Jahr. Leider
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