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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei
Autoren: Julianne Lee
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keine, die noch am Leben waren, verbesserte er sich -, also würde sein Besitz an seine Mutter fallen, sowie er für tot erklärt worden war. Zum Glück erlaubten es ihm die Gesetze des Staates Tennessee, seinen Vater ausdrücklich vom Erbe auszuschließen. In dem Testament brachte er überdies seine Hoffnung zum Ausdruck, dass seine Mutter den gewalttätigen Mistkerl verlassen und künftig in dem Apartment über dem Studio wohnen würde. Die Entscheidung musste er natürlich ihr überlassen, er konnte ihr nur den Weg ebnen.
    Einen zehnprozentigen Anteil an seinem Geschäft überschrieb er Ronnie und bat ihn in seinem letzten Willen, die Kurse auch nach Dylans Tod fortzuführen.
    Seinen Jeep hinterließ er Cody. Damit es ihr später leichter fiel, den Nachlass anzunehmen, und auch, um einen Vorwand zu haben, mit ihr zu sprechen, rief er sie an und bat sie, den Wagen vorerst bei sich unterzustellen, da er eine längere Schottlandreise plane.
    Am anderen Ende der Leitung herrschte lange Zeit Schweigen, dann sagte Cody langsam: »Du kommst nicht mehr zurück, nicht wahr, Dylan?«
    Er zögerte mit der Antwort, erwiderte dann aber: »Hoffentlich nicht.«
    Wieder entstand eine lange Pause, und er hörte, wie sie leise zu weinen begann. »Du wirst mir furchtbar fehlen«, flüsterte sie.
    »Cody, ich muss es tun.«
    »Ich weiß. Ich glaube, du warst nie dazu bestimmt, in unserer Zeit zu leben. Du gehörst in die Vergangenheit. Ich hoffe, du findest dort, was du suchst.«
    Er dankte ihr, wohl wissend um die Möglichkeit, dass keine seiner Hoffnungen sich erfüllen würde. »Du wirst mir auch fehlen. Ich hab dich sogar während der Zeit vermisst, wo ich weg war.«
    Sie lachte mit tränenerstickter Stimme leise auf. »Du warst mein bester Freund, solange ich denken kann, Dylan. Ich werde dich nie vergessen. Aber versuch doch bitte, berühmt zu werden, dann kann ich irgendwann in den Geschichtsbüchern über dich nachlesen.«
    Auch Dylan musste lachen. Zusammenhängende Worte hätte er nicht mehr herausgebracht.
    Viel Gepäck benötigte er für die Reise nicht. Kleidung für ein paar Tage, ein neues Leinenhemd - ein Duplikat desjenigen, das er bei den Spielen getragen hatte -, seine Gamaschen, seine Dolche, eine Tüte Zimttoffees und eine große Flasche mit Aspirintabletten.
    Am Tag vor seinem Flug nach London besuchte er kurz seine Mutter, während sein Vater nicht da war, und erzählte ihr von seiner Reise nach Schottland.
    »Wie schön, mein Junge!« Sie umarmte ihn begeistert. »Ich wünsche dir eine herrliche Zeit. Mach ein paar Fotos, und wenn du zurückkommst, musst du mir erzählen, was du alles erlebt hast.«
    Dylan zuckte schmerzlich berührt zusammen, er konnte ihr ja nicht sagen, dass er nicht zurückkommen würde. Und deshalb konnte er sich auch nicht so von ihr verabschieden, wie er es gern getan hätte. Heiser erwiderte er lediglich: »Aber sicher, Mom.«
    Nur ein Thema musste er noch zur Sprache bringen. Er setzte sich auf das Sofa, und sie nahm in dem Gästesessel Platz, obwohl Dads Sessel näher am Sofa stand. Also rutschte Dylan bis an die Lehne vor. »Mom ...« Hoffentlich regte sie sich nicht allzu sehr auf; das tat sie immer, wenn er auf seinen Vater zu sprechen kam. »Mom, hast du schon einmal daran gedacht, Dad zu verlassen?«
    Sie stieß einen unartikulierten Laut aus. Ob es Überraschung oder Ärger war, konnte Dylan nicht sagen. Sie wirkte nervös und verwirrt, lange saß sie schweigend da.
    Eine tiefe Furche trat auf ihre Stirn. Dylan wartete geduldig ab. Schließlich sagte sie: »Dylan, ich wüsste nicht, wo ich hingehen sollte.«
    »Und wenn du es wüsstest?«
    »Dein Vater und ich sind schon sehr lange verheiratet, Dylan.«
    »Mom, er schlägt dich. Er demütigt dich. Er verdient den ...« Dylan führte den Satz nicht zu Ende, er wusste, wenn er hier blieb, würde er seinen Vater eines Tages umbringen, und das wäre für seine Mutter das Schlimmste überhaupt. »Mom, versprich mir nur, dass du darüber nachdenkst. Und wenn du die Gelegenheit bekommst, hier auszuziehen, dann nutze sie.«
    »Dylan ...«
    »Möchtest du nicht frei sein?«
    Sie verschränkte die Finger ineinander und zuckte mit den Achseln. »Ich möchte, dass er sich ändert.«
    »Nein, Mom, ich habe dich gefragt, ob du frei sein willst. Er wird sich nämlich nie ändern. Der macht so weiter, bis einer von euch beiden tot ist. Und das wirst vermutlich du sein, wenn du ihn nicht verlässt. Versprich mir das, Mom. Versprich mir, dass du
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