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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei
Autoren: Julianne Lee
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Kung-Fu-Kurs samstagmorgens teil. Keine von ihnen war älter als siebzehn, und alle hatten wohl weniger Interesse an asiatischem Kampfsport als vielmehr an ihrem Lehrer, für den sie alle schwärmten. Na ja, zumindest Kym zeigte manchmal auch echte Begeisterung für Kung-Fu.
    Dylan amüsierte sich über die Art, wie die drei ihn anhimmelten, und wünschte sich oft, er hätte diese Wirkung auf halbwüchsige Mädchen schon vor zehn Jahren gehabt, als er selbst noch ein Teenager gewesen war. Nach der Szene mit Ginny fand er die Anbetung des Trios ausgesprochen tröstlich, also setzte er sein breitestes Lächeln auf, als die Mädchen auf ihn zurannten, um ihn zu begrüßen.
    »Hallo, Mr. Dylan!«, rief Cay. Sie trug einen karierten Rock, der zu einer Schuluniform gehörte, und ein rotes Rüschenhemd, von dem sie wohl hoffte, dass es zeitgemäß wirkte. Die anderen beide hatten Jeans und Tanktops an, unter denen die BH-Träger hervorlugten. Bei diesem Anblick kam sich Dylan plötzlich alt vor, weil er diese modische Feinheit schlicht und ergreifend albern fand.
    »Selber hallo.« Im Weitergehen rückte er das Gehänge auf seiner Schulter zurecht. Die drei folgten ihm wie treue Hunde. »Habt ihr ordentlich trainiert?«
    Die Mädchen versicherten ihm unisono, dass sie jeden Tag brav ihre Übungen absolviert hätten, wie es sich für gute kleine Ninjas gehört. »Was für ein Schwert haben Sie denn mitgebracht?« Neugierig beäugte Kym die Scheide, konnte aber nichts erkennen.
    »Ein neues. Na ja, ein neues altes, um genau zu sein. Die Kopie eines schottischen Breitschwerts. Er wurde in Toledo angefertigt, in Spanien, meine ich.«
    Silvia kicherte. »Zeigen Sie uns das Schwert doch mal. Bitte, Dylan.«
    Dylan verbiss sich ein Lächeln und zog bereitwillig das riesige Schwert aus der Scheide. Die Mädchen bewunderten pflichtschuldig die schimmernde Klinge und den stählernen Korbgriff. »Es ist die Nachbildung eines Schwertes aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Seht ihr, in die Klinge sind sogar jakobitische Parolen eingraviert.«
    »Was sind denn Jakobiten?«
    Dylan setzte zu einem längeren Vortrag an, besann sich dann aber. Wie sollte er Jahrhunderte schottischer Geschichte einem Teenager nahe bringen, der kaum wusste, wo Schottland lag, und sich vermutlich auch nicht sonderlich dafür interessierte. Schließlich sagte er: »Die Jakobiten haben früher für die Unabhängigkeit Schottlands von England gekämpft.« So ungefähr jedenfalls.
    »War das so was wie die amerikanische Revolution?«, wollte Cay wissen.
    Dylan dachte darüber nach. »Könnte man sagen. Nur haben die Jakobiten verloren.«
    Sie machte ein langes Gesicht. »Scheißpech.«
    Dylan musste grinsen, als er sich vorstellte, dass die Reaktion der Jakobiten auf ihre Niederlage vermutlich etwas massiver ausgefallen war. Er schob das Schwert in die Scheide zurück und ging weiter.
    Die Mädchen ließen sich nicht abschütteln. Cay fragte vorwitzig: »Was tragen Sie denn unter dem Kilt?«
    Er sah sie aus schmalen Augen an. »Das geht dich nun wirklich nichts an.«
    »Nun seien Sie doch nicht so!«
    »Nein.«
    Jetzt mussten die drei natürlich unbedingt wissen, was unter dem Kilt war. »Ach, Dylan, bitte!«, jammerten sie im Chor. Cay kicherte wie eine Verrückte, und Silvia hüpfte aufgeregt auf und ab.
    Mit einem tiefen Seufzer langte Dylan nach dem Saum seines Kilts. Die drei traten zurück und starrten ihn mit angehaltenem Atem ungläubig an. Er unterdrückte ein Grinsen, dann schlug er den rotschwarzen Wollstoff bis zu den Hüften hoch.
    Die Mädchen brachen in schallendes Gelächter aus, Dylan hatte sich nämlich sein langes Leinenhemd in den Kilt gestopft, und die Schöße des Hemdes waren fast so lang wie der Kilt selbst und reichten ihm bald bis zu den Knien. Alles Sehenswerte war somit züchtig bedeckt.
    Er ließ den Stoff wieder fallen. »Zufrieden?«
    »Nein«, erwiderte Cay mit einem breiten Grinsen.
    Dylan lächelte und ging weiter, die Mädchen immer noch im Schlepptau.
    »Wie viel Meter Stoff sind das eigentlich?« Cay zupfte an dem Plaid, das er sich über die linke Schulter geworfen, rechts um die Taille geschlungen, dann über den Rücken hochgezogen und wieder über die Schulter gelegt hatte. Die Enden wurden von einer großen Metallbrosche gehalten, auf der das Matheson-Wappen prangte: eine Hand, die ein aus einer Krone herausragendes Schwert in die Höhe hielt. Entlang dem Broschenrand war das Motto des Clans eingraviert: Fac et spera. Handle
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