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Vögelfrei

Titel: Vögelfrei
Autoren: Sophie Andresky
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sagte sie, »Nähen, Rechtsberatung, Lebenshilfe, Turnen, Nachhilfe, Deutschunterricht, Erste Hilfe.«
    »Aber was machen Sie beruflich?«, hakte ich nach.

    »Hilde. Wir sollten uns wirklich duzen, Marei.« Sie küsste mich mit flaumig weichen Lippen etwas länger als unbedingt nötig auf die Wange, direkt unter die große Schramme, während sie ihre Hand warm und leicht um meinen Hals legte.
    Ich überlegte währenddessen, woher sie meinen Namen kannte, aber natürlich hatte sie in meinem Ausweis nachgesehen.
    »Du kannst hierbleiben«, sagte sie.
    Ich drückte ihre Hand und nickte. »Erst mal, bis ich weiß, wie es weitergeht. Vielen Dank.«
    Davon wollte sie nichts wissen: »Ach was, es ist ein Glück für mich, dass du jetzt da bist. Ein echtes Glück.« Aber da war ich auch schon fast wieder eingeschlafen.
     
    Nach einer weiteren Nacht war mir nicht mehr schwindlig. Mein Kopf juckte, und ich fühlte mich klebrig und verschwitzt. Ich wollte duschen, ging durch die Wohnung und suchte das Badezimmer. Bis dahin war ich immer nur in der Gästetoilette gewesen, und auch jetzt fand ich nirgendwo eine Wanne. Hilde saß in der Küche an ihrer Nähmaschine und mühte sich ab, den paillettenbesetzten Saum eines hellblauen Capes zu reparieren. Sie strahlte, als sie mich sah, und schob sofort ihre Arbeit beiseite. Ich raffte das Bettlaken, in das ich mich gewickelt hatte, hoch, rieb die nackten Beine aneinander und fragte nach einer Dusche. Sie nickte und erklärte mir, dass es hier kein Badezimmer in dem Sinne gebe. Man müsse mit der Küche vorliebnehmen.
    Sie rückte einen Paravent beiseite, der über und über mit Nylonstrümpfen, Federboas, Schals und langen Handschuhen
behangen war, und zeigte auf einen altertümlichen Bottich vor einem riesigen Boiler.
    »Ich heiz schnell vor«, sagte sie, setzte mich an den Tisch, schob mir eine Tasse Kakao und eine Dose mit Keksen hin. Sie band sich eine weiße, gestärkte Schürze über ihr Kleid, steckte sich die Haare auf und machte sich an dem Boiler zu schaffen. Gleichzeitig setzte sie auf dem Herd einen großen Topf mit Wasser auf: »Damit wir hinterher etwas zum Spülen für die Haare haben.« Denn eine Brause gab es bei dieser Konstruktion natürlich nicht. Sie goss Lavendelwasser in den Bottich und legte einen großen Schwamm und Seife bereit. Schließlich hielt sie mir eine armlange Bürste hin. Ich musste lachen.
    »Du siehst aus wie die Zofe vom Haus am Eaton Place !«
    Sie fiel in mein Lachen ein. »War das nicht eine wunderbare Serie? Ich habe mir schon als Kind vorgestellt, wie das Stubenmädchen Rose mit aufgelöstem Haar und wehendem weißen Nachthemd im Schlafgemach des jungen Hausherrn steht und die Dinge ihren Lauf nehmen.«
    »Dieser Schnösel?« Ich bekam kaum Luft vor Lachen und hielt mir den verbundenen Oberarm. »Dann lieber seine Schwester, wie hieß die noch? Die war scharf!«
    »Elizabeth«, sagte Hilde leise, »die junge Herrin hieß Elizabeth.«
    Sie führte mich zum Zuber und ließ kochendes Wasser nachlaufen. Schnell war die kleine Küche voller Dampf. Sie wickelte mich aus dem Laken, steckte mir das Haar hoch und half mir ins Bad. Das Wasser war heiß, ich entspannte
mich und wurde wieder schläfrig. Es gab keinen Badezusatz, sodass ich nicht unter Schaumbergen verschwand, sondern mein Körper wie in Gelee gepackt im Bottich lag. Hilde stellte sich hinter mich und bettete meinen Kopf auf ein zusammengelegtes Handtuch. Erst jetzt bemerkte ich, wie gut sie nach Veilchen und Puder duftete. Sie strich mir die Haare aus der Stirn, nahm einen großen Schwamm, tauchte ihn ein und drückte ihn über meinem Gesicht aus. Ich hätte vor Wonne schier zerfließen mögen und seufzte leise. Sie fuhr mit dem dicken, weichen Schwamm meinen Hals entlang, über meine Schultern und den unverletzten Oberarm bis zum Ellenbogen. Als sie sich vorbeugte, spürte ich das Gewicht ihres Oberkörpers, bewegte mich aber nicht. Sie nahm meine Hand, tauchte sie unter, legte sie auf den Schwamm und massierte mir die Finger. Der Schwamm wanderte weiter, wieder über meinen Hals und die Schlüsselbeine, tiefer, unter Wasser zu den Brüsten. Dann schwamm er schaukelnd auf dem Wasser.
    Hilde beugte sich vor, massierte mit ihren kleinen sanften Händen meine Brüste und zwirbelte die Nippel zwischen den Fingern. Sie trat neben den Zuber, krempelte sich die Ärmel hoch, setzte sich auf den Rand, sodass wir uns jetzt ansehen konnten, und ließ ihre Hand ins Wasser gleiten. Ihr
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