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Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
Autoren: Karsten Kruschel
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Kopf des Kranken zu seinem Hals, aus dem unterhalb des Kehlkopfes eine Art metallener Stutzen herausragte, und dann zu den farbigen Pflastern, die an seinen bloßen Schultern klebten. Die vilmschen Mediziner hatten endlich eine Methode gefunden, die sowohl Pillen und Pulver als auch Spritzen und Infusionen überflüssig machte. Die reinen Wirkstoffe wurden mit einem Kleber aus Astwürgerlaich vermischt und aufgeklebt. Das Verfahren hatte sich als überraschend effektiv erwiesen, und Rijo war sehr stolz darauf.
    »Geht das auch noch ein bisschen ausführlicher?«, wollte Will wissen.
    »Hat sich mit Immunsuppressiva vollgestopft«, sagte Rijo trocken.
    »Warum denn das, um aller Päpste willen?«, fragte Eliza entgeistert.
    »Er wollte seine körpereigenen Abwehrkräfte schwächen. Hat sich zwischen den Gestrolchen niedergelassen, einen Zaun gezogen und sich selbst mit einem halben Dutzend wilder Eingesichter darin eingesperrt. Und dann hat er das Zeug genommen, das er durch die Kontrollen geschmuggelt hatte.«
    »Schlimm genug, dass wir Kontrollen einführen mussten«, sagte Will. »Und nun bringen sie uns nichts, wie wir sehen ...«
    »Denk dran, was schon alles gefunden worden ist!«, meinte Eliza. »Wir haben doch schon lange damit aufgehört, uns zu wundern.«
    Sie betrachteten schweigend den völlig weggetretenen Mann auf der Trage und erinnerten sich an allerlei Waffen, darunter sogar Miniraketen. Sie erinnerten sich an verschiedenste Drogen, gesegnetes Tierfett, angebliche Alraunen, Munition mit Geschossen aus reinem Silber, Gebetsmühlen, mit Knoblauchöl getränkte Holzpfähle und chirurgische Bestecke, um ganze Stücke aus dem Wolkengebirge herauszuschneiden. Und das waren nur die beschlagnahmten Güter der Einreisenden. Es gab auch welche, die unzählige Phiolen anschleppten, die sie mit dem Tropfwasser einer Sämlingslinse füllen und daheim als Heilmittel verkaufen wollten. Es gab selbstleuchtende Gebetsteppiche, Wurbl-Käfige, Wolkentaucher-Aquarien und Urnen mit der Asche von Verstorbenen, die testamentarisch ihre Beisetzung im äquatorialen Gestrolch des Regenplaneten verfügt hatten. Komplette Tauchausrüstungen, um die Stromsiedler zu besuchen. Schockfrostboxen, um Häuslebauer-Embryonen und junge Zimtschnecken zu exportieren. An einigen Stellen nahe dem Äquator standen regendichte Stereoanlagen, die den ewigen Regen mit den Sinfonien beschallten, die irgendwelche Musiker eigens zu diesem Zweck komponiert hatten.
    Erst vor kurzen hatte ein Typ Aufmerksamkeit erregt, der kanisterweise Griechisches Feuer schmuggeln wollte, um das für dämonisch gehaltene Dickicht in einem Autodafé zu verbrennen. Ein angesichts des ewig fallenden Regens in seiner Lächerlichkeit fast tragischer Gedanke.
    »Aber warum tut jemand so etwas wie der da?«, fragte Will und sah Rijo an.
    »Um ein Vilmer zu werden.«
    »Ähem. Wie war das?«
    Rijo zeigte auf das Gepäck des Mannes, das auf dem Fußende der Trage lag.
    »Ich hab in seinem Gepäck nachgesehen. Er hatte alle Reportagen und Berichte über den Regenplaneten studiert und war an der Pseudodiphtherie hängen geblieben, die damals die Kinder durchmachen mussten, ehe sie mit einem Eingesicht zusammenkamen.«
    Will griff unwillkürlich an seinen Hals. Er spürte immer noch die Narbe, die der Luftröhrenschnitt hinterlassen hatte.
    »Und da hat er sich in seiner Schläue in den Kopf gesetzt, selbst auch die Krankheit zu bekommen?«
    »Und mit ein paar wilden Eingesichtern in seiner Nähe, dachte er sich, würde er als vollwertiger Vilmer aufwachen.«
    Will begriff jetzt, was der metallene Gegenstand zu bedeuten hatte, der aus dem Hals des Mannes ragte. »Um nicht auf einen Luftröhrenschnitt angewiesen zu sein wie wir damals«, sagte er, »hat dieser Typ sich schon vorher eine künstliche Atemöffnung legen lassen.«
    Rijo nickte.
    »Was müssen das für Ärzte sein, die solche Operationen machen?«
    »Solche, die für Geld alles tun«, sagte Rijo trocken.
    Eliza sah zu Adrian Harenbergh hinüber; der verstand und kam zu ihr.
    »Hat es denn funktioniert?«, fragte sie.
    Rijo lachte. »Natürlich nicht. Schon weil er die natürliche Intelligenz der Eingesichter unterschätzt hat. Sie sind ihm alle entwischt – eines hat ein Loch unterm Zaun gebuddelt und schon waren alle miteinander weg.«
    »Tja, wir werden also nie erfahren, ob es überhaupt möglich ist, was er sich vorgenommen hatte«, sagte Eliza. »Eigentlich schade.«
    Adrian legte ihr die Hand auf die Schulter.
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