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Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
Autoren: Karsten Kruschel
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zerteilen, was sie berührten.
    Jojo flüsterte: »Was hast du vor?«
    Das größere der beiden Elterntiere stieß einen dumpf grollenden Ton aus. Der andere Springtiger konnte seinen Partner wegen des zwischen ihnen stehenden Gestrolchs nicht sehen und antwortete sofort darauf. Es klang wie ein Troll, der in einem Brunnen gurgelt.
    »Zieh dein Messer«, wisperte Brink. »Halt die Klinge einfach nur von dir weg.«
    Sie machte ein, zwei schnelle Schritte nach vorn, auf eines der Jungtiere zu. Sie wollte davon ablenken, dass Jojo nun ihr Monofil aus der Scheide an ihrem Bein nestelte.
    Es geschah zweierlei.
    Erstens: Das Jungtier ergriff mit der vollen Kraft seiner sechs Pfoten die Flucht. Es starrte angstvoll nach vorn und nach hinten und verschwand wild hüpfend zwischen den Gestrolchen im Regen.
    Zweitens: Der große Springtiger beschloss, seine Brut zu beschützen, und stürzte sich auf die Eindringlinge von der anderen Seite des Planeten. Er machte eine halbe Drehung, um die aufgeplusterte Brink zu packen, und ließ das Gebiss zuschnappen. Seine Zähne bekamen nur Fell zu packen. Das tut weh, dachte Brink, während büschelweise Haare ausgerissen wurden. Das eine Maul des Springtigers spuckte Wolle aus. Das andere begann nervenzerfetzend zu kreischen: Das Monofilmesser in Brinks Hand hatte eines seiner Mittelbeine sauber abgetrennt. Milchweiß sprudelte die Körperflüssigkeit des Wesens aus der Wunde. Es hatte Vorteile, wenn man auf zwei Körper verteilt war, schoss es Brink durch den Kopf. Weitere Jungtiere ergriffen die Flucht, schockiert von den Schmerzensschreien des Vaters und den synchron bewegten seltsamen Leibern der Unbekannten.
    Die Mutter der Sippe tat einen gewaltigen Satz, direkt auf Jojo, die immer noch an dem ungewohnten Verschluss des Messers herumfummelte. Kurz ehe die Springtigerin ihre Hauer in den weichen menschlichen Leib graben konnte, schmetterte Jojo-J in ihre Seite, das Maul weit geöffnet. Eine wüste, schlammfarben-gestreifte Masse wälzte sich kreischend im Dreck, und als die verdammte Klinge endlich frei war, stürzte sich Jojo, benommen und fast von Sinnen, in den Kampf. An Brink dachte sie nicht den Bruchteil einer Sekunde. Brink konnte mit diesen Monodingsdamessern umgehen.
    Sie nicht.
    Sie versuchte nur, am Leben zu bleiben.
    Was nun folgte, dauerte wenige, kurze Sekunden. Für Brink waren es endlose Augenblicke, für Jojo der Absturz in einen Alptraum.
    Danach standen die beiden menschlichen Körper keuchend beieinander, und ein vilmsches Eingesicht presste sich an ihre Beine. Milchweiß perlte das Tigerblut von den Klingen.
    Die Springtiger waren geflohen, zwei von ihnen schwer verletzt, und hatten ein Bündel durchweichtes Fell zurückgelassen, aus dem das Leben heraussickerte. Niemand sprach ein Wort. Der Regen wurde stärker, wie um die verschiedenen Arten des vergossenen Blutes gemeinsam wegzuspülen. Brink hievte Jojo-J hoch und stolperte in Richtung der Wespe los, so schnell sie konnte.
    Was von Jojo übrig war, folgte ihr. Die Rückseite des Planeten schlingerte in Jojos verlöschender Wahrnehmung um sie herum, ein Rattern ineinanderstürzender Standbilder. Sie wusste, dass ihr das völlige Weggewaschenwerden drohte, dass sie enden könnte wie ein Klecks wasserlöslicher Farbe, der im Regen zergeht. Sie konnte nur nicht darüber nachdenken. Sie ging nicht mehr aufrecht. Ihre Gedanken fanden nur noch hier und da Worte, verpufften irgendwie, zwischen Leben und Tod nach draußen greifend und stumm schreiend. Ihr Blick erfasste Dinge, für die ihr keine Namen mehr einfielen, und es gingen ihr Namen durch den Kopf, zu denen sie keine passenden Dinge mehr wusste.
    Brink öffnete die Luke des Fahrzeugs und ließ den schlaffen Leib von ihren Armen herab- und in den Schutz der Maschine hineingleiten. Rote und weiße Körperflüssigkeiten, mit Regenwasser vermischt, troffen von dem Körper herab. Dann wandte Brink sich erschöpft um. Verblüfft sah sie, wie jenes wilde, kleine Eingesicht, das sich bei ihrer Ankunft im Gestrolch verborgen hatte, Jojo mit aller Kraft stützte. Es hatte seinen breiten Kopf gegen ihre Hüfte gestemmt und hielt sie so halbwegs aufrecht, bugsierte die schwankende menschliche Gestalt in Richtung der Wespe.
    »Kommt schon, ihr beiden«, sagte Brink. Es war mehr ein Krächzen, das sie hervorbrachte, aber sie schien verstanden worden zu sein.
    Es wurde eng in der Wespe, als das fremde Eingesicht erst den taumelnden Leib von Jojo-A hineinschubste und dann
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