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Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Titel: Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
Autoren: Jesper Juul
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einfach nie auf, und meinen Mann scheint der Zustand des Hauses auch nicht zu interessieren!« Auf diese diskrete Art distanzieren sie sich von ihrer Familie und legen jegliche Mitverantwortung ab, um unauffällig Reklame für ihr eigenes gesteigertes Verantwortungsbewusstsein zu machen. Die Botschaft entspricht der deines Vaters: »Wenn alles nach meinen Prämissen geschehen würde, dann wäre diese Familie ein sehr viel schönerer Ort!« Es ist ebenso interessant wie tragisch, dass dieses Verhalten egozentrisch und antifamiliär ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich bei diesen Vätern und Müttern um kaltherzige Egoisten handelt. Sie sind nur frustriert und hilflos und nicht in der Lage, ihre eigenen Gefühle und Gedanken zum Ausdruck zu bringen.
    Ihre ewige Kritik bedeutet in Wirklichkeit, dass sie sich selbst als alleinverantwortlich betrachten und nie gelernt haben, wie man eine Gemeinschaft aufbaut.
    Viele dieser kritischen Despoten sind selbst mit einem Vater oder einer Mutter aufgewachsen, die zu diktatorischem Verhalten neigten, oder sie entstammen Familien, die von allgemeiner Schlappheit und mangelndem Engagement der Erwachsenen geprägt waren.
    Dein Vater versucht im Grunde, ein guter und verantwortungsvoller Familienvater zu sein. Doch obwohl er dies jeden Tag kundtut, hat er noch nicht erkannt, dass es ihm Tag für Tag missglückt. Offenbar hört er weder, was ihr sagt, noch, was er selbst sagt. Das ist demütigend für einen Mann, der so große Vorstellungen von sich selbst hat. Doch statt zu reflektieren, gibt er dem Rest der Familie die Schuld an seiner empfundenen Niederlage.
    Er liebt eure Familie, schafft es aber nicht, seine Liebe in entsprechendes Verhalten umzusetzen. Somit bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder er fängt damit an, deiner Mutter und euch Kindern zuzuhören, oder ihr alle müsst unmäßig viel Energie aufbringen, um »Papa glücklich zu machen«. Die erste Möglichkeit ist erfolgversprechend, während die zweite zum Scheitern verurteilt ist. Die Frage ist also, wie ihr ihn dazu bringt, euch zuzuhören. Die folgenden Richtlinien haben sich oft als hilfreich erwiesen:
    Es hilft nicht, wenn ihr ihn kritisiert. Er kann auf Kritik einfach nicht anders reagieren, als zum Gegenangriff überzugehen. Darum würde ich damit beginnen, ihm unseren Briefwechsel zu zeigen, und ihm ein paar Tage Zeit geben, den Inhalt zu verdauen. Das würde ihm die Möglichkeit verschaffen, sich auf ein ernsthaftes Gespräch einzulassen, ohne riskieren zu müssen, sein Gesicht zu verlieren.
    Wenn er sich weigert, an einem Gespräch darüber teilzunehmen, wie alle sich fühlen, müsst ihr alle – inklusive deiner Mutter – aufstehen und den Raum verlassen, sobald er seiner Gewohnheit gemäß damit beginnt, sich über alles und jeden zu beschweren. Ihr braucht nichts zu sagen – nur außer Hörweite zu gehen. Auf diese Weise wird er in konkreter physischer Form mit seiner emotionalen Isolation konfrontiert, und alle anderen lernen auf diese Weise, sich gegen Kränkungen und übergriffe zur Wehr zu setzen.
    Was ich gerade beschrieben habe, darf nicht als Strategie gegen deinen Vater missverstanden werden. Es geht darum, wie ihr euch selbst gegen Kränkungen schützen könnt und somit letztendlich euer eigenes und sein Schuldgefühl lindert. Für deine Mutter ist dies ein extrem wichtiger Punkt. Sie darf nicht in die Rolle derjenigen schlüpfen, die ihre Kinder vor ihrem Vater beschützt. Sie muss lernen, ihren Kindern ein gutes Vorbild zu sein, indem sie ihre eigene Würde und ihren Selbstrespekt wahrt. Schafft sie das nicht, müsst ihr Kinder leider selbst zusehen, wie ihr klarkommt, wobei jeder auf sich allein gestellt ist. So werden die Einsamkeit und Isolation eures Vaters schließlich jedes Familienmitglied anstecken.
    Ich möchte am Ende gern hinzufügen, dass ich hoffe, dass deine Eltern deine mutige Initiative, die Stimmung in eurer Familie zu verändern, zu schätzen wissen. Dein Vater kann viel von dir lernen, wenn er dazu bereit ist. Er hat sein Leben lang mit diesem Konflikt gekämpft und es verdient, endlich davon befreit zu werden, um der beste Mensch zu werden, der er werden kann.

Beziehungen zu Kindern

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