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Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Titel: Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
Autoren: Jesper Juul
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ist nur eine grundlegende Verantwortung, der sie sich entziehen. Was den Konflikt im Restaurant angeht, so kann dieser erst gelöst werden, wenn die Eltern dies erkennen und gewillt sind, sich die Verantwortung zurückzuerobern.
    Idealerweise beginnt dieser Prozess damit, dass sich die Eltern in einem relativ harmonischen Moment mit ihrem Sohn zusammensetzen und ungefähr Folgendes zu ihm sagen: »Lieber Marco, wir haben jetzt seit gut drei Jahren das Vergnügen, deine Eltern zu sein, und darüber sind wir sehr froh. Wir sind allerdings nicht so froh darüber, dass wir so oft mit dir in Konflikt geraten, doch jetzt haben wir Gott sei Dank herausgefunden, woran das liegt. Wir hatten vollkommen vergessen, dass die Eltern dafür verantwortlich sind, wie es der ganzen Familie geht. Diese Verantwortung haben wir dir überlassen, und dafür möchten wir uns bei dir entschuldigen! (Man darf ruhig weinen, wenn man redet!!) Von heute an trägst du nicht mehr die Verantwortung für uns alle. Das heißt aber auch, dass wir ein bisschen mehr bestimmen werden, als wir das früher getan haben. Aber es macht nichts, wenn du deshalb mal böse auf uns wirst. Das ist uns jedenfalls viel lieber, als wenn du glaubst, dass mit dir irgendwas nicht in Ordnung ist.«
    Warum das? Zunächst, um allen deutlich zu machen, dass die Familie von nun an ihren charakter und alltäglichen Umgang miteinander verändert. Das erhöht die Glaubwürdigkeit und Selbstdisziplin der Eltern und befreit ihren Sohn vom Schuldbewusstsein, das er in den ersten Lebensjahren angesammelt hat. So sind Kinder nämlich: Wenn die Familie disharmonisch und frustriert ist, denken sie, das sei ihre Schuld.
    Sie können sich nur vom Schuldgefühl befreien, wenn sie hören und vor allem selbst erfahren, dass die Erwachsenen die Verantwortung übernommen haben.
    Marco mag einem Tyrannen gleichen, doch ist er nur ein frustriertes Opfer.
    Er bekommt scheinbar alles, was er will, und doch fühlt er sich unglücklich, weil ihm etwas fehlt. Denn seine wahren Bedürfnisse nach authentischen, integeren Eltern werden nicht erfüllt. Da ihm das aber nicht bewusst ist, glaubt er, dass mit ihm selbst etwas nicht stimmt. Viele Kinder lassen sich eine Zeit lang mit Lob und Geschenken bestechen – sie lindern das Schuldbewusstsein jedoch nur, lassen es aber nicht verschwinden.
    Dieser Erklärung folgt eine lange Phase (½ bis 1 Jahr), in der die Erwachsenen zum einen üben müssen, die Verantwortung zu übernehmen, vor allem aber sich in der Familie mit ihrer Persönlichkeit, ihren Grenzen, Bedürfnissen und irrationalen Merkwürdigkeiten bemerkbar zu machen. Marco braucht nämlich nicht nur das Gefühl, dass die Last der Verantwortung von seinen Schultern genommen wird, er muss auch dringend herausfinden, wer seine Eltern eigentlich sind.
    Damit können wir uns der Frage zuwenden, wie sich die Eltern hätten verhalten sollen. Es fängt damit an, dass die Erwachsenen Marco fragen, wo er am liebsten sitzen möchte. Schlechte Idee! Es ist viel besser, wenn die Erwachsenen sich einfach hinsetzen und den letzten Stuhl ihrem Sohn überlassen. Wenn er mit seinem Platz nicht zufrieden ist, kann er das sagen, und die Eltern können sich überlegen, ob sie mit ihm tauschen möchten. Aus alter Gewohnheit wird Marco nur sagen, was er nicht will, worauf man ihn freundlich bitten sollte zu sagen, was er will. Sagt er beispielsweise, dass er lieber auf dem Platz seiner Mutter sitzen will, kann diese ohne Weiteres darauf eingehen – vorausgesetzt, sie tut es nicht, um einen Konflikt zu vermeiden! Falls alle Erwachsenen Nein sagen, wird Marco sicherlich frustriert sein. Doch in diesem Fall brauchen ihn die Erwachsenen nur freundlich anzusehen und zu sagen: »Ja, es ist grausam, aber so ist es eben, mein Schatz. Man kann sagen, was man will, aber man wird es nicht immer bekommen.« Nach einigen Malen wird seine Frustration schon wesentlich weniger lautstark ausfallen und auch um einiges kürzer andauern.
    Es geht damit weiter, dass Marco verkündet, er habe keinen Hunger. Die Antwort hierauf lautet: »Okay!« Danach können sich die Erwachsenen in aller Ruhe den Wahlmöglichkeiten der Speisekarte zuwenden. Vielleicht ist Marco wirklich nicht hungrig, vielleicht hat er auch nur vergessen, seinen Magen zu fragen (was bei 3-Jährigen jeden Tag vorkommt). Wenn der Duft des Essens am Tisch nicht seinen Appetit weckt, dann braucht er jetzt tatsächlich nichts.
    Sollte er es sich anders überlegen, so lautet
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