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Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Titel: Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
Autoren: Jesper Juul
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die freundliche Entgegnung: »Schön, Marco … ich hatte schon befürchtet, dass du heute überhaupt keine Lust auf Essen hast.« Die Tatsache, dass er die Möglichkeit und genug Zeit bekommen hat, um seinen eigenen Hunger zu erkennen, fegt den nachfolgenden Konflikt, was er essen soll, beiseite. Er hat die Möglichkeit erhalten, seine Autonomie zu wahren – das ist alle Macht, die Kinder sich wünschen. Um den Rest können sich ihretwegen gern die Eltern kümmern. Der Junge hat zwar nicht den Platz bekommen, auf den er unmittelbar am meisten Lust hatte, doch bekam er den Platz innerhalb seiner Familie, den er brauchte.
    Die allermeisten Kinder, die ich kennengelernt habe, lernen sehr viel schneller als ihre Eltern, sich anders und konstruktiver zu verhalten. Was vermutlich auch daran liegt, dass die Bedürfnisse der Kinder relativ simpel sind (ihre Gelüste und Wünsche sind um einiges vielfältiger).
    Sie haben vor allem das Bedürfnis nach einer kompetenten Führerschaft ihrer Eltern.
    Die Eltern schleppen ihre gesamte persönliche Geschichte mit sich herum und brauchen daher längere Zeit, um sich an eine neue Art zu gewöhnen, ihrem Kind zu begegnen. Viele dieser Eltern erhalten leider den Rat, »mehr Grenzen zu setzen«, in Form strenger Regeln, wie das Kind sich zu verhalten hat. Ich möchte Ihnen dringend davon abraten, diesen Rat zu befolgen. Er schiebt dem Kind die Schuld in die Schuhe und macht alles nur noch schlimmer.
    Machtmissbrauch ist keine Alternative zu Machtlosigkeit. Die Eltern sollten stattdessen als Persönlichkeiten in Erscheinung treten und sich als Menschen klarer definieren.

Ein Papa-Problem

    Hallo! Ich bin ein 17 Jahre alter Junge und Mitglied einer fünfköpfigen Familie: Mama, Papa und zwei Geschwister, die 9 und 16 sind. Unser Leben ist an sich völlig in Ordnung, meine beiden Eltern haben gute Jobs. Alle Kinder gehen zur Schule und haben keine größeren Schwierigkeiten. Doch gibt es eine Sache, die uns belastet, und das ist die ständig schlechte Laune unseres Vaters.
    Ständig schimpft er und kritisiert uns, weil wir seine Erwartungen nicht erfüllen. Das ist fast jeden Tag so, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Dann meckert er, weil nicht aufgeräumt wurde, beschwert sich, dass das Essen noch nicht auf dem Tisch steht, oder schimpft mit uns, wenn wir die Hausaufgaben noch nicht gemacht haben. Mich belastet das wirklich sehr.
    Ich kann das ewige Schimpfen und die ständige »dicke Luft« zu Hause nicht mehr ertragen und frage mich, was ich dagegen tun kann. Wenn wir versuchen, mit ihm zu reden, dann blockt er komplett ab und wird nur noch wütender. So kann es jedenfalls auf Dauer nicht weitergehen – haben Sie einen Rat für mich?
    Ein besorgter und unglücklicher Sohn

    Antwort von Jesper Juul:
    Das Wohlergehen jeder Familie hängt von der Stimmung, der Atmosphäre oder dem »Geruch in der Bäckerei« ab, wie wir auf Dänisch sagen, und in eurer Familie riecht es schlecht, wenn euer Vater nach Hause kommt. Das bedeutet, dass es allen schlechter geht, als es ihnen gehen müsste. Das gilt auch für deinen Vater und deine Mutter, die als Erwachsene die Verantwortung dafür übernehmen müssten, etwas an der schwierigen Situation zu ändern.
    Vielleicht hat deine Mutter das ja schon mit wenig Erfolg versucht, aber du solltest diese Verantwortung nicht tragen. Da ich aber weiß, dass du sie nicht so einfach wieder ablegen kannst, will ich versuchen, dir eine Antwort zu geben, die dir hoffentlich helfen wird.
    Ich stelle eigentlich keine Diagnosen, wenn ich den Menschen nicht persönlich kennengelernt habe, da aber dein Vater an einer Krankheit leidet, die früher ausschließlich Väter hatten und die zunehmend auch Mütter trifft, so will ich es ausnahmsweise wagen, ein wenig zu spekulieren. Dein Vater leidet am »Zirkusdirektor-Syndrom«. Das sind Menschen, die in die Manege kommen, sich sofort in die Mitte stellen und ihren vorgefertigten Text herunterleiern:
    »Wenn ihr so wärt und nicht so, wenn ihr dieses und nicht jenes getan hättet und wenn ihr überhaupt völlig anders sein könntet, als ihr seid – dann würde es mir sehr viel besser gehen!« Das ist die typisch männliche Version.
    Die weibliche Spielart scheint zunächst weniger aggressiv zu sein. Sie tritt vor allem dann in Erscheinung, wenn Gäste ins Haus kommen, die in etwa Folgendes zu hören bekommen: »Ihr müsst entschuldigen, dass hier so eine schreckliche Unordnung herrscht.
    Meine Kinder räumen
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