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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind
Autoren: Max. A Hoefer
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ist besser.«
    Für Reichtum soll man sich nicht schämen müssen. Geld hat keinen Wert an sich, man braucht es, um gut zu leben.
    Gross bewunderte das französische Savoir-vivre und schätzte die Sitzungskultur der Pariser Unternehmen. Die Vorstände debattierten zu Beginn ihrer Zusammenkünfte erst mal ausgiebig über eine Inszenierung im »Palais Garnier« oder über eine Ausstellung von Christian Boltanski, bevor sie sich profanen Umsatzzahlen zuwandten. Mittlerweile ist diese Kultiviertheit einer »effizienten« Meeting-Ökonomie gewichen, in der Terminologie Max Webers ist die Managementkultur dadurch ein Stück puritanischer geworden – und irrationaler: Ist es nicht unlogisch, dass alles schwerer wird, obwohl alles leichter gehen sollte? Und dass alles schneller werden muss, obwohl wir genug Ressourcen hätten, um es eigentlich etwas gemächlicher angehen zu lassen?
    Die Führungskräfte vor dreißig Jahren hatten zweifellos mehr Zeit und mehr Freiheit als die Manager heute, obwohl ihnen nicht Computer, Smartphones und unzählige Berater die Arbeit erleichterten.
    Wir sind ja so taff.
    Hatten einst Adel und ein Stück weit noch Gross’ kulturgesättigte Pariser Elite ihre Überlegenheit durch Zeitsouveränität demonstriert, stellt die heutige Manager-Elite ihre Zeitknappheit stolz zur Schau. In ihren durchgetakteten 14-Stunden-Tagesterminplan packen sie nicht nur ein enormes Reisepensum. Die Leistungsdisziplin der Topmanager atmet einen Corpsgeist, der wie nie zuvor alles dem Erfolg, der Performance und der streng kontrollierten Lebensführung unterordnet. Damit signalisieren sie, dass sie das immense Veränderungstempo mitgehen und es sogar noch steigern können. Die atemlose Getriebenheit soll dabei nicht asketisch rüberkommen, obwohl sie genau das ist. Es soll nicht so aussehen, als ob sich die Topmanager aufopferten. Das würde zu sehr an alte soldatische Tugenden erinnern. Sie legen deshalb Wert auf die Feststellung, ihren Job zu lieben und sich darin selbst zu verwirklichen, auch wenn sie gezielt ihren Schaf reduzieren müssen, um noch mehr Sitzungen im Arbeitstag unterzubringen.
    »Happy Workaholics« nennt Managerberater Reinhard Sprenger solche Manager: »Menschen, die ein Stück Getriebenheit haben, die auch Biss haben, die in die erste Reihe wollen, die fast erotisch angezogen werden von dem, was sie tun. Sie wissen, dass ein Preis zu zahlen ist, und sie zahlen ihn gern.« 1
    Etwa indem sie ihre Familie kaum sehen, die Treffen mit Freunden planen müssen wie einen Geschäftstermin und zur Muse gar keinen echten Bezug mehr aufbauen können. » The Winner takes all«- Typen, die uns suggerieren, dass jeder so sein kann wie sie, wenn er nur will . Marissa Mayer, die 37-jährige Chefin von Yahoo, ist eine solche Superheldin. Sie ist eine der wenigen Frauen, die sich in der männerdominierten Internetwirtschaft bis ganz nach oben durchgeboxt haben. Sie bekam ihr Kind, als sie Topmanagerin wurde, und zeigte ihre protestantische Arbeitsmoral, indem sie nur zwei Wochen Babyzeit einlegte, um sich dann um Wichtigeres zu kümmern, die Zukunft von Yahoo und ihre Karriere. Denn wenn die Zahlen nicht stimmen, sind die Aktionäre im sonnigen Kalifornien erbarmungslos. Mayer hat auch gleich die Babypfunde abgenommen, um dem gestylten Schönheitsideal zu entsprechen, und sie konnte schon wenige Wochen nach Amtsantritt steigende Umsätze für den strauchelnden Internetriesen vermelden. Ihre Bürotür steht immer offen, allerdings muss man sich im Gespräch beeilen, denn mehr als drei Minuten gibt einem die taffe Chefin nicht.
    Mayer ist eine dieser Wunder-Woman, an der sich andere Frauen ein Beispiel nehmen sollen. Sie kopiert die männlichen Hochleistungsmanager bis ins Detail und legt noch eins drauf: So wie sie das Kinderkriegen managt, zeigt sie, dass Kinder kein Karrierehindernis sind.
    Die Kolumnistin Antonia Baum hat den Eindruck, dass die tägliche Berichterstattung über Kitaplätze, Betreuungsgeld und Frauenquote vor allem dazu dient, »Frauen möglichst zackig in den Kapitalismus zu integrieren« 2 . Wirtschaftsfeministinnen wie Bascha Mika 3 springen den Konzernstrategen zur Seite: Raus mit den Frauen aus der »Komfort-Zone«, rein in die Tretmühle. Ohne harte Karrierearbeit hat auch ein Frauenleben keinen Sinn. Sie müssen sich heute sogar noch mehr kasteien als die Männer, worauf die Feministin Laurie Penny aufmerksam macht: Schönheit, Schlankheit, Kleider, Cremes, Schuhe, Enthaarung, Sport,
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