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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)
Autoren: Marion Schreiner
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ihn gar nicht zu spüren.
Brad hatte kein Wort mehr darüber verloren.
Ich hörte mal einen Abend, wie meine Mutter sagte: „Wenn du den Jungen nur einmal anfasst, bringe ich dich um!“
Ich dachte in dem Moment, dass ich ab heute Brad nie wieder berühren durfte. Nicht mal seine Hand bei der Begrüßung. Dann würde meine Mutter ihn umbringen. Dafür mochte ich Brad zu sehr. Er war der Einzige hier im Haus, der mich gut behandelte.
Brad zog bei uns ein und begann Alkohol zu trinken. Es war schön, dass er bei uns einzog. Das bedeutete, dass meine Mutter nicht mehr böse auf ihn war. Aber sie war nicht mehr so fröhlich wie am Anfang. Irgendwie war es nichts Besonderes mehr, wenn Brad abends zu uns kam. Ich bin ihm auch nie wieder abends auf dem Weg zum Klo begegnet. Das war auch nicht mehr möglich, denn ich bekam ab vier kein Trinken mehr und musste nachts nicht mehr aufs Klo. Mann, war das manchmal schlimm! Besonders im Sommer. Dafür lag ich nachts um drei wach und hatte Schmerzen im Rücken. Aber das hielt ich aus.
    Großvater Ben kam mich zu meinem achten Geburtstag besuchen. Das war das Größte für mich. Es war Samstag, und er holte mich morgens um acht Uhr schon ab.
„Überraschung“, sagte er mit einem riesen Geschenk in der Hand. Ich packte es wie wild aus. Er hatte mir eine Staffelei, Pinsel und Ölfarben geschenkt. Ich konnte mich vor Glück kaum rühren und schrie: „Boah!“
Ich hätte so gerne sofort gemalt, aber Großvater Ben sagte, er würde mir später zeigen, wie man Ölfarben mischt. Abends, wenn wir zurück sein würden.
Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, was meine Mutter und Brad mir geschenkt haben.
Großvater Ben fuhr mit mir in eine große Stadt. Dort fand eine Frühjahrskirmes statt. Er wollte mir zeigen, wie die Schausteller ihre Karussells aufbauten. Das war sehr spannend, denn jedes Karussell musste jeden Morgen geprüft werden, ob es noch ganz war. Sonst würde es ein großes Unglück geben, sagte Großvater Ben.
Da turnten dann Männer mit Werkzeugschürzen herum. Ich war hin und weg. Die Männer klopften und rüttelten überall herum. Dann sah ich, wie ein Mann den Halt verlor und bestimmt zehn Meter in die Tiefe stürzte. Er kam direkt mit dem Kopf auf. Aus seinem Ohr kam sofort Blut. Eine riesengroße Blutlache kam unter seinem Kopf hervor.
Viele Leute kamen zusammengelaufen und schrien. Mein Hirn rastete aus, und ich musste auch schreien. Ich sah den Mann zwischen all den Beinen verschwinden. Ich schrie und schrie. Großvater Ben versuchte mich wegzuziehen, aber ich wehrte mich und versuchte zwischen die Menschenmenge hindurch zu dem Mann zu kommen.
Ich schaffte es nicht, denn Großvater Ben war sehr stark und zog mich weg. Er schrie mich an.
Wir setzten uns neben dem Jahrmarkt ins Gras und tranken Limo, die Großvater Ben im Rucksack mitgenommen hatte. Die Plätzchen mochten wir nicht. Wir redeten nicht.
Ich wusste nicht, dass Blut auch aus den Ohren kommen kann. Bei mir kam es immer aus den Armen und Beinen. Heute weiß ich, dass der Kopf des Mannes geplatzt war, denn meiner wäre auch schon mal fast geplatzt. Diese Geschichte schreibe ich später noch auf.
Großvater Ben und ich versuchten, danach wieder fröhlich zu sein, aber es klappte nicht. Auch mit dem Hunger nicht. McDonalds hatte uns an diesem Tag nicht gefallen.
Leider hatten wir kein einziges Karussell benutzt. Wir hatten nämlich große Angst danach. Eigentlich war ich froh darüber. So konnten wir wenigstens nicht runterfallen.   
Am Nachmittag fuhren wir wieder heim.
Als wir ankamen, waren meine Mutter und Brad nicht da. Großvater Ben hatte Gott sei Dank einen Schlüssel dabei. Er zeigte mir, wie man die Staffelei aufbaut und Ölfarben mischt, wie man Grau und Blautöne für den Himmel mischt. Ich probierte rot und braun aus, die man zu Blutlachen mischt.
Erst malte ich einen Himmel, dann eine Blutlache. Großvater Ben fand es großartig. Er sagte, das Blut wäre mir außerordentlich gut gelungen.
Zum ersten Mal durfte ich ein Erlebnis auf eine Leinwand malen.
Meine Mutter kam heim und sah mein Bild. Ich erzählte ihr von dem Unfall, und sie schickte mich in mein Zimmer. Dann hörte ich, wie sie unten meinen Großvater beschimpfte. Ihren eigenen Vater! Das muss man sich mal vorstellen! Aber der schimpfte zurück. Ich hatte Gott sei Dank meine Staffelei mit hochgenommen. Wer weiß, was sie damit noch gemacht hätte!
Oben malte ich in aller Ruhe mein Bild weiter. Es war wirklich sehr
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