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Vic Daniel 1 - Down in the Valley

Vic Daniel 1 - Down in the Valley

Titel: Vic Daniel 1 - Down in the Valley
Autoren: David M Pierce
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zeigen.
    »Ich bin begeistert, Liebes«, sagte ich. »Du bist so ganz du selbst darin.« Sie trug eine Art Party-Complet aus den ausgehenden Fünfzigern, in blauem Filz gearbeitet und mit Musiknoten-Applikation auf dem Rock. An den dünnen Beinen schlabberten grüne Fischernetz-Strümpfe. Die Füße staken in Wanderstiefeln. Über die Schulter hatte sie das schäbigste Stück Fell seit dem Aussterben des Amerikanischen Wisents geworfen. Ihre Stirn beschirmte eine Sonnenblende-oder-wie-so-ein-Gerät-heißt mit der Aufschrift Welcome to L.A. An dem einen der zwei Riemen trug sie einen kleinen orangefarbenen Rucksack.
    »Na, wird’s bald?« Wir stiegen in einen wartenden Bus und fanden ganz hinten zwei nebeneinanderliegende Plätze.
    »Komischer Zug«, merkte sie an. »Fahren die nicht normalerweise auf Schienen?«
    »Mit dem Bus nach Bakersfield«, sagte ich. »Mit dem Zug nach Stockton. Mit dem Bus nach Sacramento.«
    »Was du nicht sagst«, sagte sie. »Darf man hier drin rauchen? Ich bin ein Nervenwrack. Du solltest wegen deiner Flugangst mal zum Psychiater gehen; dann brauchten wir nicht diesen ganzen langweiligen Kack mitzumachen.« Legal, illegal, scheißegal, sie zündete sich eine ihrer Imitations-Speziellas und starrte aus dem Fenster die Attraktionen an, die L.A. in der Innenstadt vor der Morgendämmerung zu bieten hatte, d. h. einen vorübergehenden Penner in einem bis zum Hals zugeknöpften ärmellosen Mantel. Er warf durch das getönte Fenster einen Blick auf uns. Arme Sau, dachte ich. Obwohl es natürlich auch seine Vorteile hat, alles aufzugeben, weshalb er vielleicht das gleiche dachte, als er uns betrachtete: Arme Säue.
    Auf der Interstate 5 dauert es etwa anderthalb Stunden bis Bakersfield; wir duselten beide ein wenig ein; auf der Strecke ist sogar bei Tageslicht nicht viel zu sehen. Auf dem alten Bahnhof von Bakersfield hatten wir Zeit für einen Kaffee, einmal Recken und Strecken und einmal Pinkeln, bevor wir einstiegen. Einigen Einheimischen gingen die Augen über, als sie die Aufmachung meiner Gefährtin in ihrer vollen Schönheit auf sich wirken ließen, aber sie kriegten sich schnell wieder ein, als sie den dazugehörigen bösen, alten Mann sahen.
    Gegen 6:30h hatten wir uns in einer Raucherabteilung in der Nähe des Speisewagens niedergelassen, so daß Madame sich die Lungen aus dem Halse paffen konnte, wenn sie wollte, und der Zug machte sich das San Fernando Valley nordwärts auf den Weg, nach Hanford, Fresno, Madera, Merced und was es sonst noch im Norden gab. Sarah düselte wieder ein, ihren polychromatischen Kopf gegen meine Schulter gelehnt. Ich hoffte, sie würde nicht auf meine Wildlederjacke abfärben. Ich dachte an dies und jenes; Züge sind gut zum Denken. Ich dachte, ich könnte vielleicht eines Tages eine schmale Monographie über meine Chaos-, Puzzle- und Kaputtheitsbetrachtungen schreiben. Einst, als wir noch eine Familie waren, sind Mom und Pop und Tony und ich mit der Eisenbahn irgendwohin gefahren, aber ich wußte nicht mehr, wohin. Ich weiß noch, daß es da Kühe und Pferde gab, weil Tony auf der einen und ich auf der anderen Seite des Zuges saßen, und wir haben die Kühe und Pferde gezählt, aber immer wenn ein Friedhof kam, mußte man von vorne anfangen. Einmal bin ich beinahe mit Tante Jessica nach Carmel gefahren. Sara bewegte sich im Schlaf und streckte eine Hand aus. Ich legte meine Hand in ihre Hand, und sie ergriff sie wie ein Baby, das nach einem dargebotenen Daumen oder sonstigen Finger grabscht.
    Irgendwann wachte sie auf. Sie holte Stullen mit Erdnußbutter und Honig aus ihrem Rucksack, und die aßen wir brav. Dann kramte sie ein Kartenspiel hervor, und wir spielten Rommé auf dem kleinen Tisch, den man von der Rückenlehne des Vordermanns herunterklappen kann. Würden Sie mir wohl glauben, daß das arme Ding noch nie von der Technik gehört hatte, daß man sich die Karte fischt, die man braucht, indem man eine Pik-Zehn, die man nicht gebrauchen kann, schmeißt und ihr auf diese Weise die Herz-Zehn abzuluchsen versucht, die man ganz dringend braucht? Jämmerlich. Stimmt zwar, zwei von drei Partien hat sie gewonnen, aber mit den richtigen Karten kann jeder gewinnen. Dann fingen wir an zu quatschen; ich weiß auch nicht, warum; es lag wahrscheinlich an der Eisenbahn. Züge sind nicht nur dem Grübeln förderlich, sondern sie laden auch zum Herzausschütten ein, wie Kerzenschimmer. Vielleicht lag es auch daran, daß wir uns vorübergehend in einer Zwischenwelt
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