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Verzauberte Herzen

Verzauberte Herzen

Titel: Verzauberte Herzen
Autoren: Teresa Medeiros
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Missgeschick, dass er, der so gerne den Engel spielt, am Ende das Biest gibt.
    Blaise
Pascal
    Das
wildeste Tier kennt doch des Mitleids Regung.
    William Shakespeare

1
    Das schottische Hochland
    1761
    Der Drache von Weyrcraig streifte die
zerbröckelnden Zinnen seiner Zuflucht entlang und kämpfte gegen die Versuchung,
den Kopf in den Nacken zu werfen und in wütendes Gebrüll auszubrechen. Viel zu
lange schon war er ein Gefangener der Nacht. Erst wenn sich die schwarzen
Schatten über Weyrcraig legten, durfte er sich seiner Ketten entledigen und
ungehindert durch das Labyrinth der Gänge ziehen.
    Jetzt war
die Dunkelheit sein Refugium; das einzige Königreich, das ihm geblieben war.
    Er blickte
auf die See hinaus, und die salzgeschwängerte Luft ließ seine Augen brennen.
Doch der beißend kalte Wind durchdrang die Drachenhaut, die seine Rüstung war,
schon längst nicht mehr. Seit er hier an diesen Ort gekommen war, bedurfte es
Schlimmerem, ihn zu reizen. Ein paar geflüsterte Koseworte, eine zärtliche
Berührung, der sanfte Atemhauch einer Frau: so weit entfernt und bittersüß wie
die Erinnerung an einen Traum.
    Fern am
Horizont brach ein Sturm los. Der böige Wind verwandelte die Nordsee in
blubbernden Schaum, und die ersten meterhohen Brecher krachten tief unter ihm
gegen die Klippen. Blitze spannten ihr Netz von Wolke zu Wolke und ließen den tintenblauen
Himmel noch dunkler erscheinen.
    Der herannahende Sturm erschien ihm wie das Abbild seiner
eigenen Ungezähmtheit, die ihm aus den Scherben eines Spiegels entgegenblickte;
das ferne Grollen wie geisterhafter Kanonendonner oder wie das Echo seines
eigenen, unterdrückten Gebrülls. Er hatte jeden Winkel seiner Seele abgesucht
und keine Spur von Menschlichkeit gefunden. Als Kind hatte er die Bestie
gefürchtet, die unter seinem Bett verborgen sein mochte. Nun hatte er entdeckt,
dass er selbst die Bestie war.
    Er
war, wozu sie ihn gemacht hatten.
    Er stellte sich vor, wie sie sich daheim in ihren Betten
schon beim bloßen Gedanken an seinen Zorn zu Tode ängstigten, und kaum jemand
hätte sein Zähnefletschen als Lächeln missdeutet. Sie hielten ihn für ein
gewissenloses Monster, das keine Gnade kannte. Er hatte ihnen unmissverständlich
klar gemacht, dass sein Wille Gesetz war, unwiderstehlich wie die
Sirenengesänge des Windes, der durch die Schluchten des Hochlands heulte.
    Wie schnell sich diese Feiglinge geschlagen gegeben hatten,
hätte ihm eigentlich Genugtuung verschaffen sollen, doch es hatte seinen
Appetit nur geschürt; der Hunger nagte wie Feuer in seiner Magengrube und
drohte, ihn von innen zu zerfressen. Wann immer ihn dies Verlangen befiel,
hätte er ihnen ihre armseligen Opfergaben am liebsten wieder vor die Füße
geschleudert und sie allesamt mit seinem Feueratem zu Asche verbrannt.
    Sie waren es, die verdammt waren; doch er war es, dessen
Seele die Feuer der Hölle quälten. Er war es, der dazu verurteilt war, durch
die geborstene Ruine seiner Träume zu wandern, ohne dass eine Gefährtin seine
Einsamkeit aufgebrochen hätte.
    Sein
Blick glitt suchend über die Wolkengebirge, und wieder rumorten seine
Eingeweide, heftiger und stechender als je zuvor. Vielleicht würde nichts
seinen unersättlichen Hunger je stillen können. Doch zumindest heute Nacht
sollte ein schmackhafter Bissen sein Verlangen ein wenig befriedigen. Heute
Nacht würde er dem Urinstinkt nachgeben, der in jeder Bestie lauerte – sogar
wenn sie menschlich war.
    Heute
Nacht würde der Drache jagen.
    Gwendolyn Wilder glaubte nicht an Drachen.
    Irgendwer klopfte wie verrückt an die Pforte des Herrenhauses
und fing dann verzweifelt zu schreien an: »Der Drache wütet wieder, er wird –
er wird uns alle in unseren Betten ermorden!« Doch Gwendolyn ächzte nur,
rollte sich auf den Bauch und zog sich das Kissen über den Kopf. Sie wollte lieber
in ihrem Bett ermordet werden, als sich vom Getöse eines verdammten
Vollidioten aus ihren Träumen reißen lassen.
    Sie steckte sich die Finger in die Ohren, konnte aber immer
noch hören, wie Izzy unten durch die Halle stampfte und dabei eine Litanei von
Flüchen herunterbetete, die um diverse Körperteile Gottvaters kreisten, von
denen einige nicht ganz so heilig waren wie andere. Auf einen dumpfen Schlag
folgte ein Wimmern, das Gwendolyn zusammenzucken ließ. Izzy hatte offensichtlich
den unglückseligen Hund getreten, der es gewagt hatte, ihr in die Quere zu kommen.
    Gwendolyn setzte sich auf ihrer mit Heidekraut
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