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Verzauberte Herzen

Verzauberte Herzen

Titel: Verzauberte Herzen
Autoren: Teresa Medeiros
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sträubten.
    Er zog sich
ein Zweiglein aus den Haaren und lugte unter seiner verwegenen Lockenpracht
hervor. »Ich habe dich schon ein paarmal im Schloss gesehen. Du lebst in dem
Herrenhaus im Dorf. Du bist die Tochter vom Haushofmeister meines Vaters.«
    »Eine
seiner Töchter«, antwortete sie kurz angebunden. Er sollte nicht merken, wie
viel ihr die Tage bedeuteten, an denen ihr Papa sie mit ins Schloss nahm und
sie einen Blick auf Bernard erheischen konnte, wie er gerade durchs Treppenhaus
rannte, mit seinem Vater Schach spielte oder sich hinterrücks an seine Mutter
heranschlich und ihr im Scherz einen schnellen Kuss auf die Wange drückte. Für
Gwendolyn war Weyrcraig Castle schon immer ein Schloss der Träume gewesen,
ein Ort vollkommenen Zaubers, an dem auch die ausgefallensten Wünsche
Wirklichkeit werden konnten.
    »Du hast
noch eine kleinere Schwester – oder? Und gerade ist wieder ein Geschwisterchen
unterwegs. Ich kenne deine beiden größeren Schwestern. Zwei freche Gören,
nicht wahr? Ständig klimpern sie mit ihren Wimpern und wackeln mit Hüften, die
sie noch gar nicht haben.« Als er Gwendolyns zerknitterte Jacke und die
zerschlissenen, kniekurzen Uniformhosen bemerkte, die sie aus der Kleiderkammer
ihres Vaters stibitzt hatte, musste er unwillkürlich lachen. »Du bist anders
als deine Schwestern, nicht wahr?«
    Gwendolyn
verschränkte die Arme vor der Brust. »Nein, bin ich nicht. Ich bin nur dicker.«
    Er begutachtete
sie unverhohlen. »Du hast ein bisschen zusätzliches Fleisch auf den Knochen,
aber das steht einem Kind in deinem Alter gar nicht schlecht.«
    Einem
Kind! Dass er sie
schon wieder ein Kind nannte, erboste sie mehr, als dass er ihr nicht widersprach.
Wie hatte sie nur je glauben können, diesen arroganten Kerl zu lieben? In
Wahrheit konnte sie ihn nicht ausstehen!
    Sie
richtete sich zu ihren vollen 130 Zentimetern auf. »Ich nehme an, Ihr haltet
Euch für einen ganz und gar erwachsenen Mann, nur weil Ihr in einem Schloss
lebt und ein schönes Pony reitet.«
    »Ich muss
schon noch ein Stück weiter wachsen. Genau wie du.« Er wickelte sich einen von
Gwendolyns flachsblonden Zöpfen um die Hand, zog sie zu sich heran und
flüsterte ihr ins Ohr: »Mein Vater hält mich jedenfalls für Manns genug, mich
ausgerechnet heute Nacht einen höchst geschätzten Gast zum Schloss eskortieren
zu lassen.«
    Gwendolyn
entriss ihm ihren Zopf und warf ihn sich über die Schulter. Sie fürchtete, er
könne sie jeden Moment in die Nase zwicken oder ihr den Kopf tätscheln, als sei
sie ein sabbernder kleiner Hund. »Und wer ist dieser Gast?«
    Bernard
stellte sich gerade hin, kreuzte die Arme vor der Brust und machte ein
blasiertes Gesicht. »Das ist eines von den Geheimnissen, die ich einem
Plappermaul von einem Mädchen nie verraten würde.«
    Dieser
grässliche Junge. Dieser Schuft von einem Jungen. »Dann sollte ich mich besser
auf den Weg machen, damit Ihr Euren Männerpflichten nachkommen könnt.«
    Sie lief
den Hügel hinauf und war unsinnigerweise hocherfreut, dass ihn ihr Rückzug
verblüffte. »Gut, ich gebe dir einen Tipp«, rief er ihr nach.
    Gwendolyn
verweigerte ihm die Genugtuung einer Antwort. Sie blieb einfach stehen und
schwieg eisern.
    »Er ist ein
wahrer Held!«, schrie Bernard. »Ein Prinz unter den Menschen!«
    Weil
Gwendolyn bis vor ein paar Minuten dasselbe von Bernard gedacht hatte, war sie
nicht übermäßig erstaunt. Sie lief weiter.
    »Wenn
dieser Bursche dich wieder belästigt, lass es mich wissen, ja?« Gwendolyn
kämpfte gegen eine Woge der Sehnsucht an. Bis gerade eben hätte sie alles
darum gegeben, Bernard ihren Beschützer nennen zu dürfen. Jetzt nahm sie den
Rest ihres Stolzes zusammen und drehte sich starr zu ihm um. »Ist das eine
Bitte oder ein Befehl?«
    An der Art,
wie er seine Hände auf die Hüften stützte, erkannte sie, dass sie einmal mehr
den Fehler begangen hatte, zu widerborstig zu sein. »Betrachte es als einen
Befehl, Kleine. Schließlich werde ich eines Tages nicht nur dein Herr und
Gebieter sein, sondern auch seiner.«
    »Da irrt
Ihr Euch, Bernard MacCullough. Kein Mann wird je mein Herr und Gebieter sein«,
schleuderte sie ihm hocherhobenen Hauptes entgegen.
    Sie drehte
sich schnell wieder um und ging in Richtung des Dorfes. Das Lächeln, das jetzt
Bernards Lippen umspielte, sah sie schon nicht mehr. »An deiner Stelle,
Mädchen, wäre ich mir da nicht so sicher«, flüsterte er.

TEIL I
    Der
Mensch ist weder Engel noch Biest. Und doch ist es sein
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