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Verwüstung

Verwüstung

Titel: Verwüstung
Autoren: T. J. MacGregor
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Schlamm.
    Rechts von Sheppard bargen Sanitäter die Leiche von Granny Moses, der Polizistin, die die Nachtschicht des Gefängnisses leitete. Magensaft stieg in seinem Hals auf. Er hatte Granny nicht gut gekannt, er bezweifelte, dass irgendjemand sie gut gekannt hatte. Doch sie war immer freundlich zu ihm gewesen, und man wusste, dass sie die Insassinnen gut behandelte.
    Er wandte sich ab und konzentrierte sich auf das große Loch in der Mauer. Es ließ ihn an das aufgesperrte Maul eines riesigen Hais denken, die auskragenden Drähte und Metallstreben und der geborstene Beton waren spitz wie Zähne. Lichtstrahlen huschten umher, Stimmen hallten unheimlich. Sheppard steckte den Kopf hinein in den Zellenblock, schaltete seine Taschenlampe ein und trat durch das Loch.
    Ohne Strom waren die Düsternis, der Staub und die Hitze extrem. Sheppard band sich ein Taschentuch über Nase und Mund, sodass er atmen konnte, ohne dass ihm der Staub den Hals und die Lungen verstopfte – doch plötzlich war es ihm fast unmöglich zu atmen. Sein Herz begann zu rasen, Schweiß lief ihm seitlich über das Gesicht, sein Magen verkrampfte sich, und Sheppard fürchtete, sich übergeben zu müssen.
    Weite Wiesen, ewiger Himmel, verlassene Strände: Er beschwor alle Bilder von Weite herauf, die ihm einfielen, er wiederholte sein Mantra gegen die Angst – Ich bin in Sicherheit, ich bin in Sicherheit –, und diese Techniken erlaubten es ihm letztlich, sich wieder in Bewegung zu setzen. Er taumelte weiter in die Zelle, bis er eine Stelle erreichte, an der er Atem holen konnte. Es war nicht erkennbar, was an dieser Stelle so viel anders war, dass sein Hirn ihm nun die Panik nahm, aber auf jeden Fall reichte es, dass die Luft wieder in seine Lungen dringen konnte, dass sein Herzschlag sich normalisierte, sein Magen aufhörte zu revoltieren.
    Er schaute sich eilig um. Hatte es jemand bemerkt? Unwahrscheinlich. Nur drei weitere Polizisten waren in dem Zellenblock tätig, und sie befanden sich am anderen Ende.
    Sheppard wischte sich mit einem Taschentuch über das Gesicht und suchte in seinen Taschen nach einer Schachtel Pfefferminzpastillen. Er schob eine Pastille in seinen Mund und lutschte konzentriert. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund halfen die Mints, seine klaustrophobischen Anfälle zu lindern. Wenn er ahnte, dass eine Attacke bevorstand, konnte das Lutschen eines Mints sie aufhalten. Es gab keine medizinischen Beweise, dass Minze dazu beitrug, Klaustrophobie zu mindern oder zu verhindern. Aber wie sein Arzt so schön gesagt hatte: Wenn es funktioniert, freuen Sie sich doch.
    Bis vor einem Jahr hatte er nicht an Klaustrophobie gelitten. Mira war der Überzeugung, dass es eine Nebenwirkung der Reise durch das schwarze Wasser gewesen war. Sein Arzt, der nichts von dem schwarzen Wasser wusste, schrieb es dem Alterungsprozess zu. Wissen Sie, Shep, manche Männer haben Probleme im Bett, bei anderen steigt der Cholesterinspiegel, Sie haben eben Klaustrophobie. Könnte schlimmer sein. Das schien die Standarderklärung von Ärzten zu sein, die keine Antwort wussten. Tief in seinem Innersten vermutete Sheppard, dass Mira recht hatte. Man konnte nicht fünfunddreißig Jahre in der Zeit zurückreisen, wie er es vor einem Jahr getan hatte, ohne irgendeine Veränderung zu erleiden.
    Jetzt, wo er sich wieder besser fühlte, ging er weiter, er leuchtete mit seiner Taschenlampe voraus. Der Hummer hatte auch die Mauer zur nächsten Zelle durchbrochen, er war gegen die halbhohe Betonplatte gekracht, in der die Gitterstäbe verankert waren, und hatte genug davon zerschmettert, dass die Insassen herausklettern konnten. Die Türen zum Zellenblock standen offen, und Sheppard ging durch die nächste und dann langsam den Flur entlang. Er leuchte mit seiner Taschenlampe in jede der Zellen.
    In dem Gefängnis gab es ein Dutzend Zellen, wobei man in jeder davon zwei oder drei Frauen unterbringen konnte. Aber so wie es aussah, waren nur zwei besetzt gewesen – die beiden, die dem Loch am nächsten waren. Sheppard bemerkte das Münztelefon an der Wand, von dem aus die Insassen ihre wöchentlichen Anrufe bei Anwälten oder Familienmitgliedern erledigen durften. Er schrieb die Nummer auf, dann rief er seine Kontaktperson bei Tango Bell an und hinterließ eine Nachricht, er bat sie, eingehende und ausgehende Anrufe zu dieser Nummer in den letzten vierundzwanzig Stunden zu überprüfen. Er bezweifelte, dass es etwas bringen würde, aber da es ganz offensichtlich nach
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