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Vertraute Schatten

Vertraute Schatten

Titel: Vertraute Schatten
Autoren: Kendra Leigh Castle
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einem Raubtierlächeln auf den Lippen, es war höchste Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.

3
    Seit einem Monat war sie nun schon in der Welt unterwegs.
    Ariane suchte die schwach beleuchtete Bar nach bekannten Gesichtern ab, während sie an ihrem Chocolate Martini nippte. Sie konnte es immer noch kaum glauben, dass sie sich nicht mehr in der Wüste befand. In manchen Nächten kam ihr dies alles wie ein Traum vor. Dann wieder, so wie heute Abend, schien ihr ihr früheres Leben unwirklich. Hier draußen herrschten Betriebsamkeit, strahlend heller Glanz, pulsierendes …
Leben
. Verglichen damit wirkte das Reservat der Grigori luftleer, tot.
    Schade, dass es ihr immer noch so schwerfiel, sich an diese so faszinierende Welt anzupassen. Aber sie würde sich nicht entmutigen lassen. Und irgendwann in – hoffentlich nicht allzu ferner – Zukunft würde sie aufhören, jeden ihrer Schritte, jede Handlung, jedes Wort ständig zu hinterfragen. Dann würde sie hierhergehören. Denn Arianes Entschluss stand fest: Selbst wenn sie Sam fand, würde sie nie wieder zurückkehren.
    Die Unterhaltungen um sie herum brandeten auf und ab, doch zum Glück interessierte sich niemand besonders für die kleine, dunkelhaarige Frau am Tresen. Sie rückte unauffällig ihre Perücke zurecht, die kratzig, viel zu heiß und auch sonst total unbequem war. Ariane malte sich für einen Moment mit Freude aus, wie sie das Ding nachher abnehmen und sich ihre arme Kopfhaut ordentlich kratzen würde. Dass ihr Teint und ihr Aussehen insgesamt hier ungewöhnlich waren, hatte sie gewusst. Nicht so klar war ihr hingegen gewesen, dass in der Welt der Menschen das, was sie für »ungewöhnlich« hielt, »noch nie da gewesen« war. Sie fiel völlig aus dem Rahmen. Sogar unter Vampiren, die auf ihre Gesellschaft nicht gerade scharf waren, wie sie rasch herausgefunden hatte. Lag es daran, dass die Grigori am liebsten unter sich blieben? Hielt man sie für Snobs? Ariane hatte keine Ahnung, und es schien auch niemand geneigt, sie aufzuklären. Stattdessen ging man ihr lieber weiträumig aus dem Weg. Das war nur ein weiterer Grund, aufgebracht darüber zu sein, wie abgeschieden sie tatsächlich gelebt hatte. Und nachdem sie nun einen Monat von zu Hause fort war, hatte sie viele Gründe gefunden. Sie wollte möglichst alles in sich aufsaugen, alles erleben. Aber im Großen und Ganzen hatte sie bislang lediglich beobachtet. Sogar die Vampire hier sprühten vor Leben und ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Etwas, das sie während der langen Jahre in der Wüste nicht einmal ansatzweise kennengelernt hatte.
    Konnte sie werden wie sie? Mit der Zeit vielleicht. Falls man sie akzeptieren würde. Mit der Zeit …
    Ariane nippte erneut an ihrem Drink und genoss den Schokoladengeschmack ebenso wie das leicht euphorisierende Gefühl, das ihr das Mixgetränk verschaffte. Eigentlich genoss sie es auch, hier in dieser Stadt zu sein, so weit das angesichts der Umstände eben möglich war. Charlotte, North Carolina, war Sams letzter bekannter Aufenthaltsort – dies hatte ihr Sariel noch verraten, ehe er ihr wegen der Suchaktion einen Dämpfer verpasst hatte. Deshalb war sie hierhergekommen. Und bislang hatte sie nicht viel herausgefunden, das für eine Weiterreise gesprochen hätte. Ehrlich gesagt hatte sie noch gar nichts herausgefunden. Und das war das Problem. Vielleicht würde sich das heute Abend ändern, wenn die nette Empusa, die sie neulich kennengelernt hatte, die Wahrheit gesagt hatte. Angeblich könnte ihr ein Mann, der hier häufig Gast war, weiterhelfen.
    Hoffentlich stimmte das. Die Stadt war zwar ganz hübsch, Ariane war aber nicht auf Urlaub hier. Irgendwo in dieser Gegend war Sam. Davon war sie überzeugt. Sie musste jetzt einfach ein bisschen Glück haben, und das möglichst bald, denn je länger Sam fort war, desto geringer waren die Aussichten, dass er wieder zurückkommen würde.
    Die Lichter in der Bar hüllten den Tresen aus Mahagoniholz in ein mattblaues Licht. Am anderen Ende des Raums spielte auf einer kleinen Bühne ein Jazztrio ein langsames, eingängiges Stück, und an der Theke, an den hohen schmalen ringsum verteilten Tischen und in den geräumigen bequemen Nischen entlang der Wände unterhielten sich die Gäste. In elegantes Schwarz gekleidete Kellnerinnen und Kellner glitten alle paar Minuten vorüber. Ariane musterte sie alle. Nicht ein Vampir unter ihnen. Aber sie war geduldig. Und schließlich, gegen halb elf, tauchte endlich einer auf.
    Ariane
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