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Vertraute Schatten

Vertraute Schatten

Titel: Vertraute Schatten
Autoren: Kendra Leigh Castle
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dennoch bewegte er sich rasch auf sie zu und bleckte die rasiermesserscharfen Zähne. In diesem Moment war er voll und ganz das albtraumhafte Wesen, vor dem sie sich gefürchtet hatte.
    Sie stellte sich vor, wie Damiens zerschmetterter Körper an einer der Wände herabglitt, und während Chaos sich über sie beugte, richtete sie ihre Gedanken auf Damien.
    Damien … liebe dich …
    Auf einmal wurde Chaos nach hinten gerissen, seine schwarzen Augen blitzten verblüfft auf, und dann stak plötzlich ein Schwert aus seiner Brust. Er würgte und wand sich, und als das Schwert zurückgezogen wurde, tauchte hinter ihm Damien auf, blutig, zitternd und staubbedeckt … aber am Leben. In den Händen hielt er das Schwert eines der Ältesten.
    Sie sah, wie er es hoch über seinem Kopf schwang und auf Sariel zielte.
    In dem Moment erfüllte ein Schrei so voller Wut und Schmerz den Raum, dass es klang, als würde sich darin das gesamte Leid der Welt ausdrücken. Damien erstarrte. Ariane spürte, wie ihr ein Blutstropfen aus der Nase lief, dann wurde der Raum stockfinster. Ein Überschallknall erschütterte den Boden, und Teile der Wand stürzten ein. Sie hörte die Steine fallen und legte die Flügel an, in Erwartung des endgültigen Schlags.
    Aber es kam keiner.
    Das grauenvolle, unmenschliche Geräusch wurde leiser, und auch das Donnern der einstürzenden Mauern hörte allmählich auf. Als Ariane die Augen öffnete, lag alles voller Steine, Staub wirbelte durch die Luft, und trübes, graues Licht drang in den Raum.
    Vorsichtig setzte sie sich auf und sah sich nach den anderen um. Aus der Decke waren einige riesige Brocken auf den Boden gekracht, einer nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Dann entdeckte sie Damien, der ein Stück entfernt reglos auf dem Boden lag. Sofort sprang sie auf, stolperte zu ihm hinüber und kniete sich neben ihn hin.
    »Damien!«, rief sie flehentlich und schüttelte ihn. »Damien, bitte …«
    Er stöhnte leise, aber das Lächeln, mit dem er sie bedachte, als er sich umdrehte, war schöner als alles, was sie je gesehen hatte. Langsam richtete er sich auf. Ariane schlang die Arme um ihn und hielt ihn so fest sie konnte.
    »Wir leben«, sagte er, und es klang erstaunt. »Habe ich ihn wahrhaftig umgebracht?«
    »Nein. Aber du hast großartig gekämpft, Kater.«
    Ariane schaute hoch. Sam bahnte sich mühsam einen Weg zu ihnen. Er war blutverschmiert und böse zugerichtet, aber immerhin noch am Leben – genau wie Lucan, der jetzt hinter ihm auftauchte. Damien stand auf, half Ariane auf die Beine, und dann schauten sie sich alle gemeinsam an, was von Chaos’ ehemaligem Gefängnis noch übrig war. Die Aschehaufen, die einstmals gefallene Engel gewesen waren, rauchten noch immer, und der Raum roch leicht nach Weihrauch.
    »Kommt«, sagte Lucan, der erschöpfter wirkte, als Ariane das jemals bei einem Ältesten erlebt hatte. Zu viert bahnten sie sich schweigend einen Weg durch die Trümmer. Obwohl der Raum seine erstickende Wirkung verloren hatte, wurde Ariane das Gefühl nicht los, sich in einem Grab zu befinden.
    An der Türschwelle stießen sie auf eine verkrümmte Leiche, die man für die eines Mannes hätte halten können, wären da nicht die prachtvollen schwarzen Flügel gewesen. Die Leiche sah wie mumifiziert aus, der Mund zu einem lautlosen Schrei aufgerissen.
    »Sariel«, sagte Ariane. Noch nie hatte sie sich in einer derartigen Schockstarre befunden.
    Nicht weit davon entfernt lagen Armaros’ Überreste. Er war davongerannt, nahm Ariane an, hatte – zu spät – erkannt, was wirklich aus seinem Bruder geworden war. Weit war er nicht gekommen.
    Chaos war nirgendwo zu sehen.
    Damien legte die Arme um Ariane und zog sie an sich. Seine Haut war kalt, und doch fühlte sie sich nur seinetwegen nicht wie ein Eisbrocken.
    »Wir haben verloren«, sagte sie leise. »Chaos ist auferstanden.«
    Sam richtete den Blick auf Ariane. In seinen Augen spiegelten sich sowohl Stolz als auch Trauer.
    »Nein,
d’akara
. Wir leben, also haben wir nicht verloren. Es ist, wie ich befürchtet habe: Chaos lässt sich nicht so leicht zerstören.« Dann fuhr er, an Damien gerichtet, fort: »Ich bin dir sehr dankbar, Damien Tremaine.«
    »Ich ebenfalls«, fügte Lucan hinzu. »Meinen nächsten Kampf kämpfe ich gern wieder an deiner Seite.«
    Mit einer leichten Neigung des Kopfes nahm Damien das Kompliment wortlos entgegen, das man ihm soeben gemacht hatte … und das, dachte Ariane später, war vermutlich das Beste, was er
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