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Verteidigung

Verteidigung

Titel: Verteidigung
Autoren: John Grisham
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beiden Männer Partner einer Kanzlei geworden waren, die in einem umgebauten Wohnhaus in der Preston Avenue residierte, war eine andere Geschichte. Und wie sie es schafften, sich nicht ständig an die Gurgel zu gehen, war jeden Tag aufs Neue ein Rätsel.
     
    Ihre Schiedsrichterin war Rochelle Gibson, eine kräftige Schwarze mit Esprit und gesundem Menschenverstand, Eigenschaften, die sie sich dort erworben hatte, wo sie herkam. Ms. Gibson kümmerte sich um die Organisation der Kanzlei – Telefon, Empfang, die neuen Mandanten, die voller Hoffnung eintraten, die schlecht gelaunten Mandanten, die verärgert wieder gingen, gelegentlich anfallende Schreibarbeiten (allerdings hatten ihre Chefs gelernt, dass es erheblich schneller ging, wenn sie sich selbst an die Tastatur setzten), den Bürohund und – was am wichtigsten war – die ständigen Auseinandersetzungen zwischen Oscar und Wally.
    Ms. Gibson war vor Jahren bei einem Verkehrsunfall verletzt worden, an dem sie keine Schuld trug. Um für die Schmerzen und die erlittene Unbill entschädigt zu werden, hatte sie sich durch die Kanzlei Finley & Figg vertreten lassen, wenn auch nicht ganz freiwillig. Vierundzwanzig Stunden nach dem Unfall war Ms. Gibson im Krankenhaus aufgewacht, vollgepumpt mit Schmerzmitteln, durch zahlreiche Gipsverbände zur Bewegungsunfähigkeit verdammt, und hatte das grinsende Gesicht von Wally Figg über sich gesehen. Er trug aquamarinblaue OP-Kleidung, hatte ein Stethoskop um den Hals hängen und spielte sehr überzeugend Arzt. Wally brachte sie mit einem Trick dazu, eine Vertretungsvollmacht zu unterschreiben, und versprach ihr das Blaue vom Himmel. Dann schlich er sich so leise aus dem Zimmer, wie er gekommen war, und schaffte es tatsächlich, ihren Fall zu verpfuschen. Sie bekam gerade einmal vierzigtausend Dollar, die ihr Mann innerhalb weniger Wochen vertrank und verspielte, was zu einer Scheidungsklage führte, in der sie von Oscar Finley vertreten wurde. Er kümmerte sich auch um ihre Insolvenz. Ms. Gibson war von keinem der beiden Anwälte sonderlich beeindruckt und drohte, sie wegen Verletzung der Anwaltspflichten zu verklagen. Das schreckte die beiden auf – man hatte sie schon öfter mit derartigen Klagen gepeinigt –, und sie gaben sich alle Mühe, ihre renitente Mandantin versöhnlich zu stimmen. Als sich Ms. Gibsons Beschwerden häuften, war sie so oft in der Kanzlei, dass sie schon fast zum Inventar gehörte, und mit der Zeit gewöhnten sich die drei aneinander.
    Finley & Figg war kein einfacher Arbeitsplatz für eine Sekretärin. Das Gehalt war lausig, die Mandanten waren in der Regel unausstehlich, die gegnerischen Anwälte am Telefon unhöflich, die Arbeitszeiten lang. Doch das Schlimmste waren die beiden Partner. Oscar und Wally hatten es mit älteren Sekretärinnen versucht, aber die konnten mit dem Stress nicht umgehen. Sie hatten es mit jungen Sekretärinnen versucht, was ihnen eine Klage wegen sexueller Belästigung eingebracht hatte – Wally hatte ein vollbusiges junges Ding begrapscht. (Sie einigten sich außergerichtlich auf einen Vergleich und zahlten fünfzigtausend Dollar an die junge Dame, konnten aber nicht verhindern, namentlich in den Zeitungen erwähnt zu werden.) Rochelle Gibson war zufällig in der Kanzlei, als eines Morgens wieder einmal eine Sekretärin das Handtuch warf und zur Tür hinausstürmte. Während das Telefon ununterbrochen klingelte und die beiden Partner einander anbrüllten, setzte sich Ms. Gibson an den Empfang und glättete die Wogen. Dann kochte sie Kaffee. Am nächsten Tag war sie wieder da. Und am übernächsten auch. Acht Jahre später war sie immer noch Büroleiterin der Kanzlei.
    Ihre Söhne saßen im Gefängnis. Wally hatte sie vertreten, wobei fairerweise gesagt werden muss, dass es niemanden gab, der sie hätte retten können. Als Teenager hielten die beiden Wally mit einer ganzen Reihe von Festnahmen wegen verschiedener Drogensachen in Atem. Sie rutschten immer tiefer in die Dealerszene, und Wally warnte sie wiederholt, dass sie auf das Gefängnis oder den Tod zusteuerten. Das sagte er auch zu Ms. Gibson, die wenig Einfluss auf ihre Söhne hatte und oft darum betete, dass sie im Gefängnis landeten. Als der Crackring der beiden aufflog, wurden sie hinter Gitter geschickt. Wally schaffte es, das Schuldmaß von zwanzig Jahren auf zehn zu reduzieren, was ihm allerdings keinen Dank von den Jungs einbrachte. Ms. Gibson dagegen bedankte sich unter Tränen. In der ganzen Zeit hatte
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