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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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klet­ter­ten schwei­gend aus dem Wa­gen, schlan­gen die Ar­me um­ein­an­der und starr­ten auf das Schiff. To­bi­as saß mit dem Rücken ge­gen den Me­tall­bo­gen des Dock­zu­gangs ge­lehnt, rich­te­te sich nun auf und kam uns ent­ge­gen. Einen Me­ter vor uns blieb er ste­hen, über­ließ Paul und Jen­ny ih­rem Stau­nen und sah mich fins­ter an. Ich er­wi­der­te die­se freund­li­che Ges­te.
    Hüb­scher To­bi­as. Dich­te Lo­cken aus gol­de­nem Haar, ein Ge­sicht ganz in grie­chi­schem Pro­fil, die Au­gen tief­blau. Son­nen­ge­bräunt, reiz­voll, sinn­lich. Wenn er an­ge­zo­gen war – und für einen Un­s­terb­li­chen war er er­staun­lich oft an­ge­zo­gen –, trug er aus­ge­wa­sche­ne, ver­fran­s­te Ho­sen und schmie­ri­ge, fle­cki­ge Hem­den. Und er glaub­te, die­ser Kon­trast un­ter­strei­che sei­ne At­trak­ti­vi­tät. Was auch tat­säch­lich der Fall war. To­bi­as haß­te mich. Viel­leicht war ich ein zu kras­ser Kon­trast. Viel­leicht er­in­ner­te ich ihn an die Un­be­stän­dig­keit, die ihm ab­han­den ge­kom­men war. Aus wel­chem Grund auch im­mer: To­bi­as haß­te mich, und ich emp­fand die­sen Haß als er­freu­li­che Ab­wech­se­lung an­ge­sichts der höf­li­chen und un­be­hag­li­chen Mas­ken der an­de­ren Un­s­terb­li­chen. Wä­re To­bi­as klar ge­we­sen, wie sehr ich sei­ne Ab­nei­gung ge­noß, so hät­te er sie wahr­schein­lich ab so­fort nicht mehr ge­zeigt. Doch ich hat­te nicht die Ab­sicht, mir die­ses klei­ne Ver­gnü­gen neh­men zu las­sen. So be­stä­tig­ten wir schwei­gend un­se­re ge­gen­sei­ti­ge An­ti­pa­thie und stan­den wort­los ne­ben den bei­den hin­ge­ris­se­nen No­vi­zen in der hei­ßen Ju­li­son­ne. Er senk­te als ers­ter den Blick.
    „Kommst du heu­te aufs Schiff?“ fra­ge er barsch und starr­te auf et­was, das jen­seits mei­ner lin­ken Schul­ter lag.
    „Nein, ich ha­be heu­te noch zu tun. Mor­gen früh bin ich pünkt­lich da. Wer­de ich ge­braucht?“
    „Ganz und gar nicht“, er­wi­der­te er und lä­chel­te wie ein ver­drieß­li­ches Kind, das in ir­gend­ein Ge­heim­nis ein­ge­weiht ist. Er wuß­te ver­dammt gut, daß heu­te mein re­gu­lä­rer Aus­bes­se­rungs­tag war. Ich wand­te mich an­ge­wi­dert von ihm ab und sprach Paul und Jen­ny an.
    „Das ist To­bi­as Ga­min. Er wird euch zur Ili­um brin­gen, euch ein biß­chen her­um­füh­ren und den Leu­ten vor­stel­len. To­bi­as, sorgst du bit­te da­für, daß sie zum Abend wie­der hier­her zu­rück­ge­bracht wer­den?“
    „Klar“, ant­wor­tet er. Die drei wech­sel­ten einen bei­läu­fi­gen Blick – ei­ne ra­sche, se­xu­el­le Mus­te­rung, prü­fend, ta­xie­rend, ab­schät­zend. Was für ei­ne ein­fa­che und un­be­schränk­te Se­xua­li­tät die­se Leu­te ha­ben: Al­les, was sich be­wegt, wird ge­bumst. Und wenn das viel­leicht auch nicht ganz zu­traf, es war mir egal. Nun, ich be­weg­te mich eben­falls, aber mich bums­te nie­mand.
    „Raul Am­buhl, Jen­ny Cra­ne“, sag­te ich, vollen­de­te da­mit die Vor­stel­lung und ging zu mei­nem Wa­gen zu­rück. Paul folg­te mir und leg­te mir die Hand auf den Arm. Ich starr­te die Hand an, ver­blüfft von die­ser Be­rüh­rung, und ich war­te­te dar­auf, daß er sie has­tig zu­rück­zog und an sei­nem Um­hang sau­ber­wisch­te. Doch sei­ne Hand blieb, wo sie war, und ich dreh­te mich zu ihm um.
    „Vie­len Dank, Tia, daß du uns bei dir un­ter­ge­bracht hat.“
    „Kei­ne Ur­sa­che.“ Ich ver­such­te, den Arm fort­zu­rück­en, doch er hielt ihn noch im­mer sanft um­faßt, be­feuch­te­te die Lip­pen und füg­te hin­zu:
    „Sieh mal, ha­ben wir ir­gend et­was falsch ge­macht?“
    „Falsch?“
    „Weißt du, du bist nur so … nun … so schroff. Ich ha­be mich ge­fragt, ob wir viel­leicht ir­gend et­was, nun, du weißt schon …“
    „Nein, ihr habt nichts ver­kehrt ge­macht. Und jetzt gehst du am bes­ten zu To­bi­as zu­rück, okay? Ich ha­be in ei­ner Stun­de ei­ne Ver­ab­re­dung.“
    Ich glitt von ihm fort, klet­ter­te in den Fah­rer­sitz und star­te­te den Ro­tor, be­vor er ei­ne Mög­lich­keit hat­te, mir zu ant­wor­ten. Ich ließ ihn auf dem Dock hin­ter mir zu­rück, und er starr­te auf den von den Luft­kis­sen
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