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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz
Autoren: Franziska Wulf
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Meute, die nichts Besseres zu tun hat, als ständig zu versuchen hier einzudringen. Am liebsten würden sie es wohl mit ihren bloßen Händen Stein für Stein auseinander nehmen. Doch das werde ich nicht zulassen. In diesem Haus hat die Familie Pazzi seit über hundert Jahren gelebt. Und unsere Wurzeln reichen sogar noch weiter zurück. Weiter sogar als die Wurzeln der Familie Medici. Habt Ihr das gewusst, Signorina Anne?«
    »Nein, Donna Lucia«, sagte Anne sanft und versuchte über die Löcher in den Spitzen und die Flecken auf dem schwarzen Kleid der Alten hinwegzusehen. Wie lange mochte sie wohl schon allein hier leben?
    »Nun wisst Ihr es. Sagt es auch Lorenzo. Erzählt es ihnen, diesen Medici, die heutzutage offenbar so viel Sympathien in dieser Stadt genießen.« Sie nickte und klopfte zur Bekräftigung mit ihrem Stock einmal auf den Boden. Noch vor ein paar Wochen wäre jetzt gewiss ein Diener angelaufen gekommen und hätte nach ihren Wünschen gefragt. Aber es blieb still in der Halle. »Doch ich habe Euch nicht zu mir gebeten, um Euch mein Leid zu klagen. Wir wollen reden. Aber nicht hier. Kommt, Signorina Anne, kommt.«
    Donna Lucia winkte mit ihrer dünnen, knochigen Hand und schlurfte voran. Tack, tack, tack. Die Geräusche des Stocks und ihrer Schritte auf dem Marmor verklangen ohne Echo und waren das Einzige, was zu hören war. Das Einzige, was die bedrückende Stille durchbrach, nur um sie noch schwerer auf ihnen lasten zu lassen, bis Anne glaubte nicht mehr atmen zu können. Sie durchquerten die Halle. Durch die achtlos offen stehende Tür konnte Anne einen Blick in das Speisezimmer werfen. Auf dem langen Tisch standen Teller, Gläser und Schüsseln, ein untrügliches Zeichen dafür, dass hier noch vor kurzer Zeit Menschen miteinander gegessen hatten. Doch die Kerzenleuchter waren umgefallen, ein Krug lag zerbrochen auf dem Tisch, und einer der Stühle lag am Boden, als ob jemand hastig aufgesprungen und geflohen wäre. Es war ein seltsames, bedrückendes Stilleben, grell beleuchtet von dem Sonnenlicht, das ungehindert durch die zerbrochenen Fensterscheiben eindrang. Erschüttert wandte Anne ihren Blick ab und stieg hinter Donna Lucia die Treppe hinauf. Doch auch hier waren die Spuren des Verfalls nicht zu übersehen. Die Kerzen in den Leuchtern an den Wänden waren niedergebrannt, ohne dass jemand sie rechtzeitig gelöscht und erneuert hätte. Wachs war an ihnen hinabgelaufen, auf den Boden getropft und dort zu gelblichen Flecken erstarrt. Überall lag eine dicke Staubschicht, und Spinnweben wanden sich um die von der Decke herabhängenden Lüster. Das Haus der Pazzi war ein Geisterhaus geworden.
    »Kommt, Signorina, kommt«, sagte Donna Lucia wieder und schlurfte einen langen Gang entlang. Aus einer offnen Tür drang Kerzenschein und erleuchtete den düsteren Flur. »Kommt. Hier können wir miteinander reden.«
    Sie wartete, bis Anne den Raum betreten hatte, dann schloss sie die Tür und legte einen Riegel vor, als würde sie befürchten, dass ein ungebetener Gast eindringen könnte.
    »Wie gefällt Euch dieses Zimmer?«, fragte Donna Lucia, während sie zu einem Lehnstuhl schlurfte und sich ächzend hineinfallen ließ.
    Anne sah sich um. Einst war es wohl ein schönes Zimmer gewesen, doch auch hier waren die Spuren der Verwahrlosung überdeutlich. Die Kissen und Laken auf dem Bett waren unordentlich und schmutzig. Die schön geschnitzten Bettpfosten waren verstaubt, und der Baldachin aus dunkelroter Wolle war an einer Stelle heruntergerissen und lag achtlos am Boden. In der neben dem Bett stehenden Waschschüssel schwamm eine trübe, Ekel erregende Brühe. Ein paar Kleidungsstücke lagen verstreut auf dem Boden. Auf einer Truhe stapelten sich Kerzen, Brot, Äpfel und Räucherwaren. Ein gebrauchter Teller und ein Becher standen auf einem Tisch. Alles war gebraucht, schmutzig und verkommen, mit Ausnahme eines hohen Lehnstuhls, der direkt an dem mit schweren Vorhängen verdeckten Fenster stand und dem großen Stickrahmen davor. Beides sah aus, als würde sich aus irgendeinem obskuren Grund jemand die Mühe machen, auf diesen beiden Möbeln regelmäßig Staub zu wischen.
    »Dies war Giovannas Zimmer«, sagte Donna Lucia und sprach damit aus, was Anne bereits vermutet hatte. »Jetzt wohne ich hier.« Sie deutete mit zitternder Hand auf den Lehnstuhl und den Stickrahmen. »Wenn es ihr gut genug ging, saß sie dort und hat gestickt. Habt Ihr die Wandbehänge gesehen, die sie gemacht hat, Signorina Anne?
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