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Verschwörung im Zeughaus

Verschwörung im Zeughaus

Titel: Verschwörung im Zeughaus
Autoren: Petra Schier
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und wie schwer er verletzt ist, und dazu brauchen wir Platz.»
    Das Gesinde gehorchte sofort, und auch die Mädchen verließen den Raum, wenn auch zögernd.
    Jupp hatte sich indes über den Verwundeten gebeugt und ihn untersucht. Der Baderchirurg war ein Hüne von Mann mit braunem, kurzgeschnittenem Haar und sauber gestutztem Kinnbart. Vor Jahren hatte Neklas das Haus direkt neben der Apotheke gekauft und umbauen lassen. Die oberen Kammern vergrößerten den Wohnraum für seine Familie, die unteren Zimmer gehörten Jupp und dessen Frau Marie sowie den beiden inzwischen elfjährigen Zwillingen Bina und Malka. Auch Jupps Behandlungsraum befand sich dort.
    «Wir müssen ihm die Kleider vom Leib schneiden», bestimmte er. «Anders geht es nicht. Marie?»
    Seine Frau reichte ihm wortlos eine Schere, die sie samt einiger anderer Utensilien in einem kleinen Korb mit sich führte. Geschickt schnitt er Wams und Hemd auf und schälte dem Bewusstlosen beides vom Leib. Tatsächlich hatte sich Tilmann einen notdürftigen Verband aus Lumpen und einem zerrissenen Hemd angelegt. Auch diesen entfernte Jupp vorsichtig.
    Adelina stieß einen entsetzten Laut aus. Offenbar war Tilmann an der rechten Seite gleich unterhalb der Rippen von einem Schwerthieb getroffen worden. Noch weit schlimmer jedoch als dieser Schnitt klaffte eine Wunde an seinem Bauch, die aussah, als stamme sie von einem Messer oder Dolch.
    «Den Messstab», verlangte Jupp, ohne den Blick von den Wunden abzuwenden.
    Wieder reichte Marie ihm das Gewünschte – einen unterarmlangen Metallstab, den Jupp nun vorsichtig zunächst in die Wunde an der Seite einführte.
    «Nicht sehr tief», befand er, wischte den Stab mit einem der Tücher sauber und führte ihn dann in die Dolchwunde ein. Tilmann röchelte und zuckte zusammen. Offenbar war seine Bewusstlosigkeit nicht so tief, dass er keinen Schmerz empfand.
    «Übel», urteilte Jupp, als er den Stab aus der Wunde zog. «Wahrscheinlich sind seine inneren Organe verletzt. Wie sehr, lässt sich leider nicht sagen. Aber bei einer so tiefen Wunde ist es fraglich, ob er es übersteht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie er es überhaupt geschafft hat, damit herumzulaufen.» Er hob den Kopf und blickte Adelina an, die blass vor Entsetzen und Sorge seiner Tätigkeit zusah. «Ich säubere die Wunden und verbinde sie, aber wie gesagt …» Seine Stimme wurde sanfter. «Viel Hoffnung kann ich dir nicht machen. Er hat wahrscheinlich bereits Unmengen von Blut verloren. Hast du eine Ahnung, mit wem er aneinandergeraten sein könnte?»
    «Nein.» Adelina schüttelte den Kopf und schluckte hart. «Ich habe ihn schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Seit dem Schützenfest auf dem Neumarkt im Juli, um genau zu sein.»
    «Auf jeden Fall hat er sich gegen den oder die Angreifer gewehrt.» Jupp deutete auf mehrere frische Schrammen und Blutergüsse an Tilmanns Schultern, Armen und Brust. «Wir sollten ihn ganz entkleiden, um nachzusehen, ob es noch mehr Wunden gibt, die versorgt werden müssen. Kann er hier liegen bleiben?»
    «Natürlich.» Adelina nickte. «Vitus kann in Colins Kammer schlafen.» Sie trat neben Jupp und legte ihm eine Hand auf den Arm. «Du musst ihm helfen. Er ist mein Bruder!»
    Jupp tätschelte sie kurz. «Ich tue, was ich kann, Adelina. Aber solche Verletzungen …»
    «Bitte!» Sie verstärkte ihren Griff. «Das sind wir ihm schuldig.»
    «Komm, Adelina, lass Jupp seine Arbeit machen.» Marie nahm ihre Freundin sanft bei den Schultern und schob sie zur Tür. «Lass uns in die Küche gehen und etwas essen. Bestimmt habt ihr alle noch nicht gefrühstückt.»
    «Mir ist der Appetit gründlich vergangen», murmelte Adelina. Gerade als sie den Raum verlassen wollte, stieß Tilmann ein gequältes Stöhnen aus. Sogleich war sie wieder bei ihm, beugte sich über ihn und ergriff seine Hand. Seine Augenlider flatterten und hoben sich.
    «Adelina …» Seine Stimme war nicht mehr als ein leises Röcheln. «Sag … ihnen … nichts.»
    «Was? Was soll ich wem nicht sagen? Tilmann?» Sie beugte sich noch weiter zu ihm hinab.
    «Ich … war nie … hier.» Sie konnte ihn kaum verstehen. «Nie … hier … wenn sie … suchen … sag … nichts.» Seine Augen, von denen Adelina nicht sicher war, ob sie sie wirklich wahrgenommen hatten, schlossen sich wieder. Sein Kopf rollte auf die Seite.
    «Tilmann? O Gott!» Sie ließ seine Hand los und tastete nach seinem Gesicht. «Ist er …?»
    «Er atmet», sagte Jupp ruhig und
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