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Verschollen

Titel: Verschollen
Autoren: Åke Smedberg
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fragte er.
    Wieder blieb es am anderen Ende der Leitung still. Als Ivarsson weitersprach, klang seine Stimme gedämpft, ein wenig abwesend.
    »Ja, verflucht noch mal. Obwohl man das zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau sagen kann. Es ist ja eine Ewigkeit her. Es sind nur noch Knochen übrig. Wir werden sehen... Sie sind auf dem Weg nach Umeå zur Rechtsmedizin, das ganze Paket.«
    »Wo hat man sie denn gefunden?«, fragte er. »Und wer hat die Leiche gefunden?«
    Aus dem Hörer kam ein Geräusch, das einem langen Seufzer glich.
    »Ja, das ist eine verdammt merkwürdige Geschichte, alles in allem. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Das könnten noch nicht mal Sie schlüssig zusammenfügen.«
    Alles hatte mit einem Artikel angefangen, für den er eine der Abendzeitungen interessieren konnte. Und daraus war dann so etwas wie eine Serie geworden. Vermisste Personen, Fälle unerklärlichen Verschwindens. Er hatte die Ermittlungsakten genau gelesen, die Verhörprotokolle studiert, mit Angehörigen und Zeugen gesprochen. Er wanderte in den Fußspuren der Verschwundenen, war an den Orten, an denen sie sich aufgehalten hatten, an den Stellen, an denen sie zuletzt gesehen worden waren. Er hatte versucht, sich ein Bild von ihrem Leben und von den Umständen ihres Verschwindens zu machen.
    Was bringt einen offensichtlich glücklichen Vater zweier Kinder dazu, seinen Arbeitsplatz nach der Mittagspause zu verlassen und in Richtung Süden loszufahren, ohne eine einzige Nachricht zu hinterlassen? Den Wagen fand man ordnungsgemäß in Hästveda geparkt, einem Ort, der nichts mit seinem vorherigen Leben zu tun hatte. An einer Tankstelle am Rande der Ortschaft erinnerte sich jemand daran, wie er eine kurze Pause gemacht und sich unterhalten hatte. Dort verliert sich seine Spur.
    Oder eine Urlauberin, die aus ihrem Hotelzimmer verschwindet. Zunächst vermutet man ein Verbrechen, aber nach einigen Wochen meldet sie sich bei einer Freundin und lässt ausrichten, man solle sich keine Sorgen machen, ihr würde es gut gehen. Sie sagt weiterhin, dass sie auch mit ihrer Familie Kontakt aufgenommen habe. Dort hatte man indessen nichts von ihr gehört. Und auch später nie wieder.
    Gelegentlich konnte man aus guten Gründen annehmen, dass hinter dem Verschwinden eines Menschen ein Verbrechen stand. In anderen Fällen deutete einiges auf einen Selbstmord oder gar einen Unfall hin, oder es befand sich irgendwo dazwischen. Gemeinsam war diesen Fällen die Wirkung auf ihre Umgebung. Die Tragödie mitten im Alltag. Eine Explosion, die von einer Sekunde auf die nächste alles auf den Kopf stellte, lähmte. Und ihre Druckwelle arbeitete weiter, lag wie ein dumpfer Laut im Hintergrund, jahrelang.
    Die verschiedenen Fälle lagen alle in der Vergangenheit, es variierte zwischen drei und sechs Jahren. Es sollte schließlich noch etwas dabei herauskommen, wenn er die Umstände des Geschehenen genauer unter die Lupe nahm. Zum einen konnte er die meisten Personen aus den Ermittlungsakten noch ausfindig machen und sie aufsuchen, zum anderen waren ihre Erinnerungen noch nicht vollkommen verblichen.
    Aber schon von Anfang an hatte er gewusst, mit welcher Geschichte er die Serie abschließen wollte. Es war ein Fall, der beinahe dreißig Jahre zurücklag. Das Verschwinden der Anna-Greta Sjödin Ende Juli 1972. Aus Bräcke, im Jämtland.
    Mittlerweile hatte er sich gerade im Bett aufgesetzt und lauschte mit gerunzelter Stirn dem Bericht von Olle Ivarsson. Zwischendurch schüttelte er den Kopf. »Ist es üblich, dass Ihre Bürgerwehr solche Einsätze hat?«
    Er hörte, wie Ivarsson Luft holte.
    »Es ist nicht
meine
Bürgerwehr... Die Leute sind es einfach leid, und sie sind stocksauer, ich glaube, dass man sie verstehen kann... Anfang Herbst wurden allein vier Sommerhäuser aufgebrochen, leergeräumt und verwüstet. Und gerade diese Woche hat jemand einen Traktor der Waldarbeiter auseinandermontiert und abtransportiert. Danach haben einige angefangen, privat Streife zu fahren und Ausschau zu halten. Die dachten wohl, der hätte auch damit zu tun, mit den Einbrüchen der letzten Zeit. Aber sie wussten, wozu sie eine Befugnis hatten und wozu nicht. Oder vielmehr, sie hätten es wissen müssen.«
    »Sie waren zu dritt und er allein?«
    »Micke Byström war derjenige, der ihn verfolgte. Er hatte wohl gedacht, es würde ein Leichtes werden, und konnte nicht ahnen, worauf er sich da einließ. Sein Arm ist praktisch aus dem Gelenk gerissen worden, sein
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