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Verschlungene Wege: Roman (German Edition)

Verschlungene Wege: Roman (German Edition)

Titel: Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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Teint.
    Sie wollte endlich wieder sie selbst sein.
    Sie ließ sich treiben, ihre ausgelatschten Turnschuhe machten so gut wie kein Geräusch auf dem Bürgersteig. Sie hatte gelernt, langsam zu gehen, sich zur Ruhe zu mahnen und die Dinge so zu nehmen, wie sie kamen. Sie bemühte sich, jeden Moment zu genießen.
    Eine kühle Brise streifte ihr Gesicht, wehte durch ihr langes braunes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Das fühlte sich gut an und roch auch so: frisch und sauber. Ihr gefiel das harte Licht, das sich über die Tetons ergoss und auf dem Wasser glitzerte.
    Durch die nackten Weiden- und Pappelzweige konnte sie einige der Ferienhäuser erkennen, die Mac erwähnt hatte. Sie duckten sich hinter den Bäumen: Holzbalken, Glas, breite Veranden und mit Sicherheit eine fantastische Aussicht.
    Es wäre schön, auf einer dieser Veranden zu sitzen und den See und die Berge zu betrachten, zu sehen, welche Tiere hier in den Sümpfen lebten, aus denen das Schilf aufragte. Es wäre schön, diese Weite zu genießen, diese Stille.
    Irgendwann einmal, dachte sie. Aber nicht heute.
    Sie entdeckte grüne Narzissensprosse in einem halben Whiskeyfass neben der Eingangstür zu einem Restaurant. Die zitterten zwar ein wenig in der kalten Brise, kündigten aber nichtsdestotrotz den Frühling an. Frühling heißt Neubeginn. Vielleicht würde er ihr ja auch zu einem Neubeginn verhelfen.
    Sie blieb stehen, um die zarten Sprosse zu bewundern. Es war tröstlich zu erleben, wie nach einem langen Winter die Natur wieder erblühte. Schon bald würde es weitere Frühlingsboten geben. In ihrem Reiseführer war von unendlich vielen Wildblumen auf den Salbeiwiesen die Rede gewesen und von weiteren entlang der Seen und Tümpel.
    Sie war bereit, ebenfalls aufzublühen.
    Dann fasste sie das große Panoramafenster des Restaurants ins Auge. Eher ein Diner als ein Restaurant, erkannte sie. Ein Tresen, Zweier- und Vierertische, Nischen, alles in einem verblassten Rotweiß. In der Vitrine standen Torten und Kuchen, und die Küche war einsehbar. Mehrere Kellnerinnen eilten mit Tabletts und Kaffeekannen hin und her.
    Mittagsbetrieb. Sie hatte völlig vergessen, etwas zu essen. Sobald sie sich das Hotel angesehen hätte, würde sie …
    Dann sah sie den handgeschriebenen Zettel im Fenster:
    Koch gesucht
Bitte im Restaurant nachfragen
    Wegweiser, dachte sie erneut, obwohl sie instinktiv einen Schritt zurückgemacht hatte. Sie blieb, wo sie war, und musterte das Lokal sorgfältig durch die Scheibe. Eine offene Küche, sagte sie sich, das war wichtig. Diner-Essen – etwas, das sie im Schlaf zubereiten konnte. Zumindest früher einmal hatte sie das gekonnt.
    Das Hotel suchte bestimmt Personal, jetzt, wo die Feriensaison begann. Oder vielleicht brauchte Mr. Drubber eine Aushilfe für seinen Laden.
    Aber der Zettel hing direkt vor ihrer Nase, ihr Auto hatte ausgerechnet diesen Ort angesteuert, ihre Schritte hatten sie bis hierher geführt, wo die Narzissen beim ersten Hauch von Frühling aus dem Matsch sprossen.
    Sie lief zum Restauranteingang zurück, holte tief Luft und öffnete die Tür.
    Gebratene Zwiebeln, gegrilltes Fleisch – vermutlich Wild -, starker Kaffee, eine Jukebox mit Countrymusic, Geschnatter an den Tischen.
    Saubere rote Böden, ein weiß gescheuerter Tresen. Die wenigen noch freien Tische waren fürs Mittagessen eingedeckt. Fotos, die gar nicht mal so schlecht waren, zierten die Wände. Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Sees, das klare Wasser und die Berge zu jeder Jahreszeit.
    Sie rang immer noch um Fassung, nahm ihren ganzen Mut zusammen, als eine der Kellnerinnen vorbeirauschte. »Guten Tag. Wenn Sie hier zu Mittag essen wollen, dürfen Sie gern an einem der Tische oder am Tresen Platz nehmen.«
    »Ehrlich gesagt würde ich gern mit dem Besitzer oder der Besitzerin sprechen. Wegen des Zettels im Fenster. Koch gesucht.«
    Die Kellnerin blieb stehen, das Tablett immer noch in der Hand. »Sind Sie Köchin?«
    Früher einmal hätte Reece auf diese Berufsbezeichnung empfindlich reagiert – selbstverständlich, ohne aus der Rolle zu fallen, aber trotzdem. »Ja.«
    »Das ist praktisch, weil Joanie den letzten Koch vor ein paar Tagen gefeuert hat.« Die Kellnerin führte eine Hand an die Lippen und tat, als trinke sie.
    »Verstehe.«
    »Er bekam den Job im Februar, als er bei uns im Ort nach Arbeit suchte. Angeblich hatte er zu Jesus gefunden und wollte die Frohe Botschaft verkünden.« Sie legte den Kopf schräg und
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