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Verrückt bleiben

Verrückt bleiben

Titel: Verrückt bleiben
Autoren: Else Buschheuer
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dieses Kapitel nicht mehr weiterzulesen. Leben Sie mit jemandem unglücklich zusammen? Beenden Sie das lieber heute als morgen. Machen Sie sich nichts vor, machen Sie sich und Ihre Bedürfnisse nicht klein. Hören Sie auf mit der ständigen Rücksichtnehmerei. Was ist aus Ihnen geworden? Was ist von Ihnen übrig? Was wollen Sie wirklich? Warum tun Sie es nicht? Ach, Sie haben Angst? Sie haben noch nie zuvor allein gelebt? Es ist nicht zu spät.
    In meinem Haus wohnt ein Mann, der hat sich mit 75 scheiden lassen und studiert jetzt Philosophie. Stellen Sie sich Ihren Geistern, seien Sie nicht feige, leben Sie allein! Wenn Sie einen Menschen haben, treffen Sie ihn, sooft Sie wollen, aber ziehen Sie nicht mit ihm zusammen.
    Beim Schreiben dieses Kapitels hatte ich wieder Lust, den anfangs erwähnten Film mit Sally Field zu suchen und nochmals anzuschauen. Er heißt »Sybil« und stammt von 1976. Ich ergatterte im Internet eine überteuerte englische Originalfassung auf DVD. Er wirkt immer noch stark auf mich, aber Sally Field hat nicht 23 verschiedene Persönlichkeiten, sondern nur 16, und die beschenken sich auch nie gegenseitig zu Weihnachten. Es war ein starkes Bild, das mich viele Jahre begleitete, ich glaubte, mich darauf verlassen zu können, aber meine Erinnerung hat es gefälscht.

7. Penunze
    »Geld macht nicht glücklich, es beruhigt nur die Nerven, und man muss es schon besitzen, ums zum Fenster rauszuwerfen.
    Und man kann bekanntlich alles außer Liebe dafür kaufen, doch der beste Weg von allen ist, es einfach zu versaufen.«
    Rio Reiser

1999 habe ich mir vom Vorschuss meines ersten Romans eine Rolex gekauft, eine Submariner in Edelstahl, wie sie Che Guevara getragen haben soll. Ich bin einfach in den Laden hineingegangen und habe sie mir gekauft, weil ich wissen wollte, wie sich das anfühlt, eine Rolex zu kaufen. Isch scheiß disch zu mit meinem Jeld, dachte ich, als mich der Uhrenhändler mit diesem Die-kauft-ja-eh-nix-Blick ansah, wie Mario Adorf als Generaldirektor Haffenloher in »Kir Royal«. Ich fühlte mich wie die kleine Nutte in »Pretty Woman«, die in der schicken Boutique am Rodeo Drive nicht ernst genommen wird.
    Nie vorher und nie wieder nachher habe ich etwas so Wertvolles besessen. Die Uhr hing klobig an meinem Handgelenk wie eine Fessel. Ich fühlte mich unwohl. Sie passte nicht zu mir, sie missrepräsentierte mich, sie war mir regelrecht peinlich. Ich fing an, andere Rolexträger zu studieren. Es gefiel mir nicht, was ich sah. Ich las, dass Horst Tappert sich extra den linken Sakkoärmel kürzen ließ, um seine Rolex auf Fotos zu präsentieren. Ich wusste nie, wo ich die Uhr aufbewahren sollte, sie könnte feucht werden, verlorengehen, jemand könnte sie mir klauen. Manchmal dachte ich auch: Ach, würde sie mir nur endlich jemand klauen!
    2002 stand ich pleite in Midtown Manhattan und versuchte, das blöde Teil zu Geld zu machen, um damit meine Monatsmiete zu bezahlen. Der Uhrenhändler unterzog mich einem längeren Verhör, was die zwei im Armband fehlenden Glieder, vor allem aber die in Deutschland zurückgebliebenen Papiere betraf, er fertigte mehrere Kopien von meinem Pass an, erkundigtesich nach meiner Social Security Number und gab mir eine Woche später mit gönnerhafter Geste einen Scheck über 950 Dollar, ein Sechstel des Kaufpreises, eine Monatsmiete. Ich war zufrieden, wie Hans im Glück.
    Manchmal habe ich den Verdacht, meine tiefsitzende Abneigung gegen Reiche wurzelt in einem Defa-Film, den ich etwa im Alter von sechs Jahren sah. Es war »Das kalte Herz« von Paul Verhoeven. Der Film lief im Fernsehen, er galt als Märchenfilm, in Wirklichkeit aber handelte es sich um einen als Märchen verkleideten Gruselfilm, einen Fall für den Jugendschutz. Lutz Moik spielt den hübschen Kohlenmunk-Peter, Erwin Geschonneck den Holländer-Michel, einen filzbärtigen Riesen mit weißem Glasauge, klaffender Stirnnarbe, dröhnender Stimme und schwarzen Stummelzähnen. Kohlenmunk-Peter träumt davon, die Taschen immer voller Geld zu haben wie Ezechiel, der Geschäftsmann, und besser tanzen zu können als Hannes, der Tanzbodenkönig. Holländer-Michel verspricht ihm, diese Träume zu erfüllen. Er will nur eine Kleinigkeit dafür, Kohlenmunk-Peters Herz: »Gib mir das pochende Ding, und du wirst sehn, du hast Ruhe.«
    Die grausige Prozedur wird vollzogen, der Holländer-Michel greift mit seiner riesigen Pranke in Kohlenmunk-Peters Brust, reißt ihm das pochende Herz heraus und setzt ihm
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