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Verruchte Lady

Titel: Verruchte Lady
Autoren: Amanda Quick
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ritterlicher Gentleman. In der Tat wäre er in den Augen des sechzehnjährigen Mädchens, das sie damals gewesen war, würdig gewesen, höchstpersönlich an der Tafelrunde Platz zu nehmen. Auf keinen Fall würde er einer Lady so offenkundig unritterliche Avancen machen.
    Oder vielleicht doch?
    Sie mußte ihn falsch verstanden haben. Vielleicht zog er sie nur
    auf.
    »Erinnern Sie mich daran, Ihnen ein Seidenband oder etwas Ähnliches als Lohn für Ihre Bemühungen zu geben, Mylord«, sagte Phoebe. Sie wußte nicht, ob ihre Antwort weltklug genug klang oder nicht. Sie war beinahe fünfundzwanzig, aber das hieß nicht, daß sie besondere Erfahrung im Umgang mit rüpelhaften Gentlemen besaß. Als die jüngste Tochter des Grafen von Clarington war sie immer wohlbehütet gewesen. Ihrer Meinung nach manchmal sogar allzu behütet.
    »Ich glaube nicht, daß ein Seidenband ausreichen wird«, sagte Gabriel nachdenklich.
    Phoebe verlor die Geduld. »Nun, das ist alles, was Sie bekommen werden, also hören Sie auf, mich zu provozieren, Mylord.« Erleichtert sah sie, daß sie direkt auf ein Häuschen zuritten. »Das muß Mr. Nashs Cottage sein.«
    Sie musterte das kleine, windschiefe Gebäude, das vor ihnen lag. Selbst bei Nacht war deutlich zu erkennen, daß das Cottage äußerst reparaturbedürftig war. Der ganze Platz wirkte irgendwie vernachlässigt. Ein windschiefes Tor versperrte den Zutritt zu einem wild überwucherten Gartenweg. Das schwache Licht aus dem Inneren des Hauses fiel durch Fensterrahmen, die dringend gestrichen werden mußten, und auch das Dach hatte eine Reparatur nötig.
    »Nash scheint nicht besonders erfolgreich zu sein beim Verkauf von Manuskripten.« Gabriel brachte seinen Hengst zum Stehen und schwang sich aus dem Sattel.
    »Ich glaube nicht, daß er viele Manuskripte verkauft. Seine Briefe haben in mir den Eindruck geweckt, daß er eine große Bibliothek besitzt, aber daß es ihm äußerst schwerfällt, einzelne Bücher zu verkaufen.« Phoebe hielt ihre Stute an. »Er verkauft mir Der Ritter und der Zauberer auch nur weil er dringend Geld braucht für den Kauf eines Buches, das ihm wichtiger erscheint als eine frivole mittelalterliche Liebesgeschichte.«
    »Was, bitte, könnte wichtiger sein als eine frivole Liebesgeschichte?« Gabriel verzog den Mund zu einem schwachen Lächeln, als er die Hände ausstreckte und Phoebes Taille umfaßte.
    Sie hielt den Atem an, als er sie aus dem Damensattel hob. Er stellte sie nicht auf die Füße, sondern hielt sie vor sich, die Spitzen ihrer Stiefel einen Zentimeter über dem Boden. Es war das erste Mal, daß er sie berührte, das erste Mal, daß sie ihm so nahe war. Phoebe war von ihrer eigenen Reaktion überrascht - es verschlug ihr den Atem.
    Er roch gut, wie sie überrascht feststellte. Der Duft, den er verströmte, war eine unbeschreibliche Mischung aus Leder und Wolle, durch und durch männlich. Plötzlich wußte sie, daß sie diesen Geruch niemals vergessen würde.
    Aus irgendeinem Grund schwächte sie die Stärke seiner Hände. Sie war sich bewußt, wie klein und zerbrechlich sie im Vergleich zu ihm war. Nein, es war keine Einbildung. Er war größer, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte.
    Vor acht Jahren hatte Phoebe für den tapferen Retter ihrer Schwester die unschuldige, idealistische Bewunderung eines jungen Mädchens empfunden.
    Heute abend war sie verblüfft, als sie feststellte, daß sie sich durchaus in einer Weise zu ihm hingezogen fühlen könnte, in der eine Frau einen Mann begehrte. Nie zuvor hatte sie für einen Mann derartige Gefühle entwickelt, nicht einmal für Neil. Nie zuvor hatte sie dieses alles erschütternde Gefühl verspürt.
    Vielleicht ging wieder einmal ihre Phantasie mit ihr durch. Es lag am Mondschein und an der Spannung. Ihre Familie warnte sie immer davor, ihrer Phantasie allzu freien Lauf zu lassen.
    Gabriel stellte sie auf die Füße. Verwirrt durch den Schwindel, den er bei ihr verursachte, vergaß Phoebe, ihr Gewicht auf das rechte Bein zu verlagern, ehe sie den linken Fuß aufsetzte. Sie stolperte und klammerte sich an Gabriels Arm.
    Gabriel zog die Brauen hoch. »Mache ich Sie etwa nervös, Mylady?«
    »Nein, natürlich nicht.« Phoebe ließ seinen Arm los und schüttelte eilig die Röcke ihrer Reitkleidung aus. Entschlossen wandte sie sich in Richtung des schiefen Gartentors. Das leichte Hinken, das sie behinderte, konnte sie nicht verbergen. Sie hatte sich bereits daran gewöhnt, aber anderen fiel es immer
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