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Verrat in Paris

Verrat in Paris

Titel: Verrat in Paris
Autoren: Tess Gerritsen
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den beiden nebeneinander liegenden Gräbern auf. Die Marmorplatte wurde nicht von Schnörkeln oder Engelsfiguren verziert. Dort stand nur ganz schlicht:
    Bernard Tavistock, 1930-1973
    Madeline Tavistock, 1934-1973
    Auf Erden wie im Himmel sind wir zusammen.

    Beryl kniete sich ins Gras und blickte versunken auf die letzte Ruhestätte ihrer Eltern. Morgen sind es zwanzig Jahre, dachte sie. Wenn ich mich nur besser an euch erinnern könnte! An eure Gesichter, euer Lächeln. Sie erinnerte sich nur an irgendwelche komischen, unwichtigen Dinge. An den Geruch von
    Lederkoffern, von Mums Parfüm und Dads Pfeife. An das Knistern des Papiers, wenn sie und Jordan die Geschenke auspackten, die Mum und Dad ihnen mitgebracht hatten. Puppen aus Frankreich. Spieldosen aus Italien. Und sie erinnerte sich, dass sie gelacht hatten. Sie hatten immer viel gelacht …
    Beryl saß mit geschlossenen Augen da und lauschte wie vor zwanzig Jahren diesem glücklichen Geräusch. Im abendlichen Insektengeschwirr und dem Klirren von Froggies Trense und Zaumzeug hörte sie die Geräusche ihrer Kindheit.
    Die Kirchenglocke schlug – sechs Uhr.
    Unvermittelt richtete sich Beryl auf. Oh nein, war es wirklich schon so spät? Sie sah sich um und bemerkte, dass die Schatten länger geworden waren. Froggie stand an der Mauer und sah sie erwartungsvoll an. Oh Gott, dachte sie, Onkel Hugh ist bestimmt schon total sauer auf mich.
    Sie rannte über den Friedhof und schwang sich auf Froggies Rücken. Und schon sprengten sie wieder über das Feld, Pferd 14
    und Reiterin zu einer Einheit verschmolzen.
    Zeit für die Abkürzung, entschied Beryl, und lenkte Froggie in Richtung der Bäume. Ein Sprung über eine kleine Steinmauer, ein Stück die Straße entlang, aber immerhin eine ganze Meile kürzer. Froggie schien zu verstehen, dass jede Minute zählte. Sie wurde schneller und näherte sich der Mauer mit der Anspannung eines erfahrenen Springpferds. Sie ließ das Hindernis sauber hinter sich, ein paar Zentimeter waren noch Platz gewesen.
    Beryl spürte den Wind im Gesicht, als ihr Pferd zum Sprung ansetzte und dann auf der anderen Seite wieder landete. Nun hatten sie das größte Hindernis schon hinter sich. Jetzt kam nur noch die Straßenkurve …
    Sie sah etwas rot aufblitzen, dann hörte sie Reifenquietschen.
    Froggie scheute und bäumte sich auf. Der plötzliche Ruck kam unerwartet für Beryl. Sie wurde aus dem Sattel geschleudert und landete mit einem lauten Knall auf der Erde.
    Als sich in ihrem Kopf nichts mehr drehte, war ihre erste Reaktion, sich zu wundern, dass sie überhaupt gestürzt war –
    und noch dazu aus einem so blöden Grund.
    Ihr nächster Gedanke war, ob Froggie sich vielleicht verletzt hätte.
    Beryl kam mühsam auf die Füße und rannte los, um das Pferd an den Zügeln zu packen. Froggie war immer noch erschrocken und trippelte nervös auf der Straße hin und her. Eine Autotür schlug zu, Schritte kamen näher, und das Tier wurde noch nervöser.
    »Nicht näher kommen!« rief Beryl über ihre Schulter.
    »Ist alles in Ordnung?« kam eine besorgte Frage. Es war eine Männerstimme, ein angenehmer Bariton. Ein Amerikaner?
    »Mir geht’s gut«, erwiderte Beryl.
    »Und was ist mit dem Pferd?«
    Beruhigend auf Froggie einredend, kniete sich Beryl hin und 15
    tastete mit der Hand über das Vorderbein des Tiers. Die empfindlichen Knochen schienen alle heil geblieben zu sein.
    »Geht’s ihm gut?« erkundigte sich der Mann.
    »Es ist eine Sie«, antwortete Beryl. »Ja, ihr scheint’s gut zu gehen.«
    »Ich könnte es Ihnen genau sagen«, sagte der Mann trocken.
    »Wenn ich sie mir mal ansehen dürfte.«
    Beryl unterdrückte ein Lächeln, stand auf und drehte sich zu dem Mann um. Er hatte dunkle Haare und dunkle Augen. Und offensichtlich Humor – dieser Typ wirkte überhaupt nicht steif.
    Sie schätzte ihn auf über vierzig, seine Augen waren von attraktiven Lachfältchen umgeben. Er trug eine förmliche schwarze Krawatte, und seine breiten Schultern füllten die Smokingjacke beeindruckend aus.
    »Tut mir sehr Leid«, sagte er. »Ich schätze, es war meine Schuld.«
    »Das ist eine Landstraße, wissen Sie. Hier sollte man nicht so schnell fahren. Man weiß nie, was sich hinter der nächsten Kurve verbirgt.«
    »Das ist mir jetzt auch klar.«
    Froggie stupste sie ungeduldig. Beryl streichelte den Hals ihres Pferdes und war sich des intensiven Blicks des Mannes bewusst.
    »Ich habe aber eine Entschuldigung«, sagte er. »Ich wurde in dem Dorf da
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