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Verrat in Paris

Verrat in Paris

Titel: Verrat in Paris
Autoren: Tess Gerritsen
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Adresse genannt, und ich habe sie aufgeschrieben.«
    »Vielen Dank.« Bernard griff nach seinem Portemonnaie und gab dem Kellner das Geld für seine zwei Milchkaffee und ein großzügiges Trinkgeld.
    »Merci«, sagte der Kellner lächelnd. »Sehen wir Sie zum Abendessen, Monsieur Tavistock?«
    »Wenn ich meine Frau finde«, brummte Bernard und machte sich auf den Weg zu seinem Mercedes.
    Während er zum Place Pigalle fuhr, schimpfte er die ganze 5
    Zeit vor sich hin. Was um alles in der Welt war in sie gefahren?
    Was wollte sie da? Es war nicht gerade der sicherste Ort in Paris für eine Frau – oder auch für einen Mann. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass seine liebe Madeline ganz gut auf sich aufpassen konnte. Sie war eine viel bessere Schützin als er, und die automatische Pistole, die sie in ihrer Handtasche hatte, war immer geladen – eine Vorsichtsmaßnahme, auf der er seit der Beinahe-Katastrophe in Berlin bestand. Es war beunruhigend, dass man heute nicht einmal mehr seinen eigenen Leuten trauen konnte. Überall saßen unfähige Leute, im MI 6, in der NATO, beim französischen Geheimdienst. Und damals war Madeline ganz allein gewesen in diesem Haus in der DDR, ohne jegliche Verstärkung. Wenn ich nicht gerade noch rechtzeitig aufgetaucht wäre …
    Nein, so einen Horror wollte er nicht noch mal erleben.
    Und sie hatte ihre Lektion gelernt. Die geladene Pistole war seitdem ihr ständiger Begleiter.
    Er bog in die Rue de Chapelle ein und schüttelte angewidert den Kopf angesichts der heruntergekommenen Straße, der schäbigen Nightclubs, der leicht bekleideten Frauen, die an jeder Straßenecke standen. Sie sahen seinen Mercedes und boten ihre Dienste an. Verzweifelt. Die Amerikaner nannten diese Ecke
    »Pig Alley« statt Pigalle, »Schweinestraße«. Hierher kam man, wenn man auf ein schnelles Abenteuer und sündiges Vergnügen aus war. Madeline, dachte er, bist du total verrückt geworden?
    Was machst du bloß hier?
    Er bog auf den Boulevard Bayes, dann auf die Rue Myrha ab und parkte vor der Hausnummer 66. Ungläubig starrte er das Gebäude an und zählte drei Stockwerke – drei Stockwerke, nicht sehr vertrauenserweckend, aus bröckelndem Beton mit altersschwachen Baikonen. Und in dieser Feuerfalle wollte sie sich mit ihm treffen? Er schloss den Mercedes ab und dachte: Ich kann mich glücklich schätzen, wenn das Auto nachher noch da ist. Widerwillig betrat er das Haus.

    6
    Von innen sah das Gebäude bewohnt aus: Kinderspielzeug im Treppenhaus, Radiogedudel aus einer der Wohnungen. Er stieg die Treppe hoch. Der Geruch nach gebratenen Zwiebeln und Zigarettenrauch hing vermutlich ständig in der Luft. Die Wohnungen drei und vier befanden sich im ersten Stock. Er stieg durch das enge Treppenhaus weiter ins oberste Stockwerk.
    Nummer fünf war eine Mansardenwohnung; die niedrige Tür war im Dachvorsprung eingelassen.
    Er klopfte. Keine Antwort.
    »Madeline?« rief er. »Ist das ein Scherz?«
    Immer noch keine Antwort.
    Er versuchte, die Tür zu öffnen; sie war nicht abgeschlossen.
    Bernard schob sich in die Mansarde. Die Jalousien waren heruntergelassen. An der Wand stand ein großes Messingbett, dessen Laken noch zerwühlt waren. Auf einem Nachttisch standen zwei Gläser, eine leere Champagnerfiasche und mehrere Plastikgegenstände, die man vorsichtig als »Sexspielzeug«
    bezeichnen würde. Das Zimmer roch nach Alkohol, nach der Hitze der Leidenschaft und nach Lust.
    Bernards Blick wanderte zum Fußende des Messingbettes, neben dem ein hochhackiger Damenschuh auf dem Boden lag.
    Er runzelte die Stirn, ging einen Schritt näher und sah, dass der Schuh in einer purpurrot schimmernden Lache lag. Als er das Bett umrundet hatte, blieb er ungläubig stehen.
    Da lag seine Frau auf dem Boden, ihr ebenholzschwarzes Haar umgab sie wie schwarze Federn. Ihre Augen waren aufgerissen.
    Drei kleine Blutflecken beschmutzten ihre weiße Bluse.
    Er fiel neben ihr auf die Knie. »Nein«, sagte er. » Nein. «
    Er berührte ihr Gesicht, fühlte, dass ihre Wangen noch warm waren. Er presste sein Ohr auf ihre Brust, ihre blutbeschmierte Brust, und hörte keinen Herzschlag mehr, keinen Atem. Aus seinem Mund vernahm er ein Schluchzen, einen Laut
    ungläubiger Trauer. » Madeline! «

    7
    Plötzlich hörte er hinter sich ein anderes Geräusch – Schritte.
    Leise kamen sie näher …
    Bernard drehte sich um. Irritiert starrte er auf die Pistole –
    Madelines Pistole –, die jetzt auf ihn gerichtet war. Er sah auf und
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