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Verräterherz (German Edition)

Verräterherz (German Edition)

Titel: Verräterherz (German Edition)
Autoren: Hanna Julian
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leer? Der quillt schon seit Tagen über und ständig fällt etwas auf den Boden.“
    Ich betrachtete die Kästen und fand den mit dem richtigen Namen. Dann nuschelte ich irgendwas und durchsuchte den Schlüsselbund. Ich nahm den kleinsten Schlüssel und wurde kurzzeitig wieder an die Szene in Morlets Büro erinnert. Ein kleiner Schlüssel, der zu so einer großen Chance geführt hatte. Doch das Ergebnis war lediglich so ausgefallen, dass das Ehepaar Morlet zeitversetzt zu meinen Mördern geworden war. Ein Gedanke, der mich erstarren ließ, bevor ich den Schlüssel schließlich ins Schloss schob und den Briefkasten öffnete. Dann griff ich nach dem ganzen Papierkram, der sich darin gestaut hatte. Ich warf nur einen flüchtigen Blick auf die Post, nachdem ich den Briefkasten wieder geschlossen hatte. Während ich die Briefe sortierte, fiel mir eine Zeitung auf den Boden. Der Mann im grauen Anzug gab einen missbilligenden Laut von sich. Ich bückte mich rasch, dann fiel mein Blick auf die Schlagzeile.

    Antiquitätenhandlung komplett ausgebrannt. Besitzerin stirbt in den Flammen.

    Rasch überflog ich die ersten Zeilen und erfuhr, dass Madame Morlet beim angeblichen Versuch, den Brand zu löschen, in den Flammen umkam. Dann wurde darüber gemutmaßt, warum sie sich in eine solche Gefahr begeben hatte. Ich las nicht weiter. All die Spekulationen interessierten mich nicht, denn ich wusste es besser. Sie hatte den Brand nicht löschen wollen, sondern die Tür zu dem Raum geöffnet, in dem sie mich in der Feuersbrunst elendig hatte verrecken lassen. Vermutlich hatten sich die gierigen Flammen daraufhin auf ihr neues Futter gestürzt, ohne dass Madame Morlet dem noch hatte entkommen können. Vielleicht hatte sogar der Tod selbst ein wenig nachgeholfen. Aber das waren nun wiederum Spekulationen von meiner Seite. Fest stand jedenfalls, dass nun die Drahtzieherin, die meine Verfolgung initiiert hatte, nicht mehr existierte.
    Ein Taumel purer Erleichterung durchfuhr mich. Die Zeitung, die Post, all das war mir auf einen Schlag völlig egal, und so stopfte ich sie wieder in den Briefkasten zurück.
    Der Mann im grauen Anzug hatte sich inzwischen entfernt und ich sah, dass er die Tür zum Keller offen stehen gelassen hatte. Lautlos folgte ich ihm die Treppe hinab und fand ihn mit dem Rücken zu mir gewandt vor einigen Zähleruhren.
    Als er sich zu mir umdrehte, fragte ich, ob einer der Keller zu Fordants Wohnung gehörte. Er grunzte etwas und wies auf die Tür rechts neben ihm. Ich bedankte mich artig und trat auf den Mann zu. Er war irritiert und wusste wohl nicht recht, was er tun sollte, aber es war für ihn ohnehin schon zu spät. Er hob zwar noch die Hand, als ich nach ihm griff, aber sein Schlag traf mich beinahe wirkungslos. Ich bohrte meine Zähne in seinen Hals und saugte sein Blut in großen Schlucken. Ich hielt ihm den Mund zu, damit sein Schreien im Keim erstickt wurde. Es dauerte nicht lange, bis er niedersank und ich mir aufgrund meiner Sättigung sicher sein konnte, dass er nicht mehr genügend Blut besaß, um weiterzuleben. Ich wischte mir die Lippen ab und seufzte zufrieden, dann suchte ich den Kellerschlüssel, öffnete die Tür und zog mein Opfer in den dunklen Raum. Ich interessierte mich nicht für die Dinge, die Fordant dort gelagert hatte, stattdessen schloss ich die Tür rasch wieder ab und ging in die Wohnung zurück. Ich würde mich nachts um die Beseitigung des Hausmeisters kümmern und danach die Wohnung endgültig verlassen.

    ~ღ~

    Vermutlich ahnst du schon, dass dies nicht wirklich das Ende der Geschichte ist. Dennoch sind wir fast am Ende des Teils angelangt, den ich dir erzählen konnte und wollte.
    Zur Zeit streune ich beinahe ständig ruhelos umher. Ich traue mich weder eine feste Bleibe zu beziehen, noch einen Körper über längere Zeit zu benutzen. Lucien Chevriers benutze ich inzwischen kaum noch, da es zu gefährlich ist. Ich töte nicht häufiger als zuvor, da ich mich immer noch nach der Uhr richte. Aber ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte. Mir ist nicht viel geblieben und so sehne ich mich immer häufiger danach, mich einfach zu sättigen, bis ich alle anderen Gedanken verdrängt habe. Ein Blutrausch erscheint mir verlockend ... die Möglichkeit, ständig im Blutrausch zu sein, klingt derzeit für mich wie das Paradies.
    Aber wie gesagt, noch wehre ich mich gegen dieses Verlangen.
    Vielleicht fragst du dich, warum ich so verzweifelt bin, obwohl doch alles gut schien,
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