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Verräterherz (German Edition)

Verräterherz (German Edition)

Titel: Verräterherz (German Edition)
Autoren: Hanna Julian
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Schicksal ihm nicht wohlgesonnen war?
    Meine Haare brannten inzwischen lichterloh und die Haut an meinen Händen warf Blasen und platze auf. Einem Menschen wäre es vermutlich möglich gewesen, dem Anblick und den verheerenden Schmerzen durch eine Rauchvergiftung oder eine Bewusstlosigkeit wegen Sauerstoffmangels zu entkommen. Mir war dies jedoch nicht möglich, denn ein Vampir atmet nicht wirklich. So blieb es mir nicht erspart, mitzuerleben, wie der Körper von Jules Fordant sich der höllischen Gewalt des Feuers beugen musste. Alles, was ihn ausgemacht hatte, wurde die Nahrung der Flammen. Der Schmerz war ungeheuerlich und es ist mir unmöglich, dir zu vermitteln, wie es sich anfühlte, als die Haut sich dem gefräßigen Element hingab und schließlich schwarz wurde und aufbrach. Meine längst wimpernlosen Augenlider verbrannten im gleichen Moment, als das Feuer auch das kostbare Buch verschlang. Obwohl das Leder nicht brannte, züngelten die Flammen nach dem Papier der Seiten, als seien sie eine ganz besonders köstliche Spezialität, auf die sie nur gewartet hatten. Unfähig, etwas dagegen unternehmen zu können, realisierte ich, wie die Beweise für Morlets abgrundtiefes Fehlverhalten vernichtet wurden. Das Feuer hatte meinen Körper inzwischen fast vollständig verkohlt und ich war auf meine Knie gesunken, um mich meinem Schicksal schließlich in Fötusstellung zu ergeben. Der flammende Vorhang hüllte mich immer noch ein, obwohl es bei mir inzwischen kaum noch etwas zu holen gab. Er spielte mit mir, berührte mich, brutal und so herzlos, wie ich selbst die letzten Jahrhunderte meines Daseins wohl verbracht hatte.
    Ja, dieser Vergleich muss ein Wohlgefühl bei dir auslösen, nicht wahr? Endlich musste ich bezahlen ... für meine Morde, für meine Dummheit ... für meine Rachsucht. Und ausgerechnet diese Frau, der ich es am wenigsten zugetraut hatte, war zu meiner Richterin und zugleich zu meiner Henkerin geworden. Sie war nicht minder rachsüchtig als ich, und ganz gewiss nicht weniger skrupellos und raffgierig als ihr Mann. Sie hatte mich eingesperrt, in dem Wissen, dass ich durch das Feuer das Ende meiner Existenz fand. Und auch wenn dieses Ende mich zumindest vor der befürchteten ewigen Qual bewahrte, hatte sie es nicht für mich gewählt, um mir einen Funken Gnade zu erweisen, sondern aus rein egoistischen Motiven. Denn natürlich lief sie Gefahr, dass ich unter der Folter reden würde und vielleicht irgendjemand sich schließlich von meinen Worten überzeugen ließe.
    Sie musste Angst haben, dass derjenige dann vielleicht damit begann, das Verschwinden von LeBlanc näher zu untersuchen. Und auch die ungeheure Zahl an Antiquitäten, von denen sich einige zweifelsfrei zurückverfolgen lassen würden, ließe sicher zu leicht ans Licht kommen, dass deren Besitzer zu Morlets Opfer geworden waren. Und dass der Mann, der als Hüter verehrt worden war, in Wahrheit wie jeder andere verdammte Vampir seine Zähne in bald schon stinkendes und faulendes Fleisch gegraben hatte.
    Ja, all dies hatte Madam Morlet gut durchdacht, vermutlich in dem Moment, als ich in die Bücher vertieft war. Vielleicht hatte sie aber auch geahnt, dass ich zurückkehren würde, um mehr über den Hüter zu erfahren, den ich getötet hatte. Es mag sein, dass sie sich schon längst für diese Art meiner Vernichtung entschieden hatte, bevor das Glöckchen der Tür mich so freudig klingend wieder willkommen geheißen hatte. Ja, Letzteres ist durchaus anzunehmen, denn den Kanister mit Benzin hatte sie wohl kaum in der kurzen Zeit mal eben schnell von der nächsten Tankstelle besorgt. Nein, ich war dieser durchtriebenen Frau in die Falle gegangen, wie ein räudiges Tier! Und zweifellos würde sie nun noch etwas warten, bis sie die Tür öffnete, da sie wusste, dass es sich nur noch um ein paar Minuten handeln konnte, bis das Feuer auch jenen Teil von mir zerstört hatte, der mich als Vampir ausmachte. Ohne den Schutz der menschlichen Hülle konnte ich der Vernichtung nichts mehr entgegensetzen, doch die Tür blieb eisern verschlossen, egal, wie sehr ich auch stumm flehte.
    Umso erstaunter war ich, als eine Hand mich plötzlich berührte. Zarte Finger, weiche Haut, die sanft meine gänzlich verbrannte berührte. Eine weibliche Hand. Eine kindliche. Sie nahm mir den Schmerz und die Angst, denn ja, ich hatte Angst verspürt wie nie zuvor in meinem Dasein. Doch nun war alles friedlich.
    „ Für einen Unsterblichen bist du reichlich oft mein Gast“,
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