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Verneig dich vor dem Tod

Verneig dich vor dem Tod

Titel: Verneig dich vor dem Tod
Autoren: Aufbau
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weltlichen oder kirchlichen Hochschulen des alten Irlands zu vergeben hatten. Der höchste Grad hieß
ollamh,
und das ist noch heute das irische Wort für Professor. Fidelma hatte sowohl das Strafrecht
Senechus Mór
als auch das Zivilrecht
Leabhar Acaill
studiert. Dadurch wurde sie
dálaigh,
Anwältin bei Gericht.
    In jener Zeit gehörten die meisten Vertreter der geistigen Berufe den neuen christlichen Klöstern an, so wie in den Jahrhunderten davor alle Vertreter der geistigen Berufe Druiden waren. Fidelma trat in die geistliche Gemeinschaft in Kildare ein, die im späten fünften Jahrhundert von der heiligen Brigitta gegründet worden war. Zum Zeitpunkt der Handlung dieser Geschichte hatte Fidelma jedoch Kildare bereits enttäuscht verlassen.
    Während das siebente Jahrhundert in Europa zum »finsterenMittelalter« gezählt wird, gilt es in Irland als ein Zeitalter der »goldenen Aufklärung«. Aus allen Ländern Europas strömten Studierende an die irischen Hochschulen, um sich dort ausbilden zu lassen, unter ihnen auch die Söhne vieler angelsächsischer Könige. An der großen kirchlichen Hochschule in Durrow sind zu dieser Zeit Studenten aus nicht weniger als achtzehn Nationen verzeichnet. Zur selben Zeit brachen männliche und weibliche Missionare aus Irland auf, um das heidnische Europa zum Christentum zu bekehren. Sie gründeten Kirchen, Klöster und Zentren der Gelehrsamkeit bis nach Kiew in der Ukraine im Osten, den Färöer-Inseln im Norden und Tarent in Süditalien im Süden. Irland war der Inbegriff von Bildung und Wissenschaft.
    Die Kirche, die wir heute die keltische nennen, lag jedoch in einem ständigen Streit über Fragen der Liturgie und der Riten mit der Kirche in Rom. Die römische Kirche hatte sich im vierten Jahrhundert reformiert, die Festlegung des Osterfests und Teile ihrer Liturgie geändert. Die keltische Kirche und die Orthodoxe Kirche des Ostens behaupteten ihre Unabhängigkeit von Rom in solchen Fragen. Zu Fidelmas Zeit wurde die keltische Kirche Irlands von dieser Auseinandersetzung stark beansprucht, so daß man unmöglich über kirchliche Angelegenheiten schreiben kann, ohne auf diesen geistlichen Streit einzugehen.
    Eine Gemeinsamkeit sowohl der keltischen wie der römischen Kirche bestand darin, daß das Zölibat nicht allgemein üblich war. Es gab zwar in den Kirchen immer Asketen, die die körperliche Liebe zur Verehrung der Gottheit vergeistigten, und auf dem Konzil von Nicäa im Jahre 325 hatte die Westkirche Heiraten von Geistlichen verurteilt, abernicht verboten. Das Zölibat in der römischen Kirche leitete sich hauptsächlich von den Bräuchen der heidnischen Priesterinnen der Vesta und der Priester der Diana her.
    Im fünften Jahrhundert hatte Rom den Geistlichen im Range eines Abts oder Bischofs untersagt, mit ihren Ehefrauen zu schlafen, und bald danach die Heirat gänzlich verboten. Den niederen Geistlichen riet Rom von der Heirat ab, verbot sie ihnen aber nicht.
    Erst der Reformpapst Leo IX. (1049–1054) unternahm ernsthaft den Versuch, den Klerikern der westlichen Länder das allgemeine Zölibat aufzuzwingen. Es dauerte Jahrhunderte, bis die keltische Kirche ihren Widerstand gegen das Zölibat aufgab und sich der römischen Kirche fügte, während in der östlichen Orthodoxen Kirche die Priester unterhalb des Ranges von Abt und Bischof bis heute das Recht zur Heirat haben.
    Das Wissen um die freie Einstellung der keltischen Kirche zu geschlechtlichen Beziehungen ist wesentlich für das Verständnis des Hintergrunds der Fidelma-Romane. Die Verurteilung der »Sünde des Fleisches« blieb der keltischen Kirche noch lange fremd, nachdem sie in der römischen bereits zum Dogma geworden war. Zu Fidelmas Zeit lebten beide Geschlechter in Abteien und Klöstern zusammen, die als
conhospitae
oder Doppelhäuser bekannt waren, und erzogen ihre Kinder im Dienste Christi.
    Fidelmas eigenes Kloster der heiligen Brigitta war zu ihrer Zeit solch eine Gemeinschaft beider Geschlechter. Als Brigitta sie in Kildare (Cill Dara = die Kirche der Eichen) gründete, lud sie einen Bischof namens Conláed ein, sich mit ihr zusammenzutun. Ihre erste erhaltene Biographie wurde 650, fünfzig Jahre nach ihrem Tode und zu Fidelmas Lebzeiten,von einem Mönch in Kildare mit Namen Cogitosus geschrieben, der keinen Zweifel daran läßt, daß es auch nach ihrem Tode weiterhin eine gemischte Gemeinschaft war.
    Zum Beweis für die gleichberechtigte Stellung der Frauen wäre noch darauf hinzuweisen, daß
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