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Vermählung um Mitternacht

Vermählung um Mitternacht

Titel: Vermählung um Mitternacht
Autoren: Hawkins
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lächelte sie ihn an, und er erkannte, was ihre Brille alles verbarg. Vielleicht nahm man sie deswegen so oft nicht wahr. Wenn man den »Drachen« anschaute, hatte man das vor sich, was man erwartete - einfache Kleider, ein unscheinbares Gesicht, eine unauffällige Figur. Da kam man gar nicht auf die Idee, Form und Farbe ihrer Augen, ihre glatte Haut, ihr festes Kinn näher zu betrachten. Sie war zwar wirklich keine so überwältigende Schönheit wie Therese, aber sie hatte etwas Anziehendes an sich ... etwas verdammt Anziehendes.
    Als wollte sie ihn widerlegen, schnäuzte sie sich in sein Taschentuch. »Nach Mamas Tod war Papa nicht mehr der Alte. Er saß stundenlang im Dunklen und sagte kaum noch ein Wort.«
    Aus einer ungewohnt mitfühlenden Regung heraus erwiderte Alec: »Er hat Ihre Mutter wohl sehr geliebt.«
    Prompt wurde er mit einem zittrigen Lächeln belohnt. Er strich ihr über die Wange und fing eine einzelne Träne auf. In dem weichen Licht schimmerten ihre goldbraunen Locken, die ihr knabenhaftes Gesicht umrahmten.
    Wie von selbst glitt seine Hand zu ihrem großzügigen Mund hinab. Gerade als er mit dem Daumen über ihre weiche Unterlippe streichen wollte, bemerkte er ihre verwirrte Miene. Ihr Blick strahlte so viel Unschuld und Gefühl aus, dass er glaubte, eine Schlinge werde ihm um den Hals gelegt. Obwohl er wusste, dass die Liebe, die aus ihren Augen strahlte, ihren Eltern galt und nicht ihm, verstörte ihn so viel nackte Emotion. Er ließ die Hand sinken.
    Verdammt, er hatte hier kein freches Nymphchen vor sich. Julia Frant war eine sittenstrenge Reformerin, die seine Aufmerksamkeit nur deswegen erregt hatte, weil sie ihm einen Weg bot, das Versprechen einzuhalten, das er seinem Großvater gegeben hatte. Wenn er sie bloß küsste, eine unschuldige Geste, mit der er schon Tausende von Frauen erfreut hatte, würde sie bestimmt entweder in Ohnmacht fallen oder einen hysterischen Anfall bekommen.
    Julia errötete, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Verzeihung. Ich wollte mich nicht dumm benehmen.«
    »Kein Grund, sich zu entschuldigen«, entgegnete er leichthin, rückte von ihr ab und stand auf. »Wenn ich so viel Punsch wie Sie getrunken hätte, wäre ich jetzt auch durcheinander. Ich rufe Bramble, damit er uns Kaffee bringt.« Er ging zur Tür und öffnete sie.
    Ein Mann in Stiefeln und Livree stolperte über die Schwelle und landete der Länge nach auf dem Fußboden.
    Streng starrte Alec auf ihn hinab. »Johnston! Was machen Sie da - mit dem Ohr am Schlüsselloch?«
    Der Reitknecht stand auf und klopfte sich ab. »Was glauben Sie wohl? Ich hab zugehört, wie Sie sich in die Ehefalle haben locken lassen wie ein grüner Junge! « Finster musterte er Julia und schüttelte den Kopf. »Völlig verrückt, was Sie da Vorhaben, Euer Lordschaft. Am Ende sind Sie vor Anker gegangen und dem Geld doch um keinen Zoll näher gekommen! «
    »Wenn mich Ihre Meinung interessiert, frage ich Sie. Und jetzt holen Sie uns Kaffee. Uns bleibt wenig mehr als eine Stunde, und ich will die Ehe nicht mit dem Gerücht anfangen, die Braut wäre so betrunken gewesen, dass sie nicht mehr stehen konnte.«
    »Na, hoffentlich wissen Sie, was Sie tun. Nicht um alles in der Welt würde ich auf diesen Plan setzen.« Mit einem letzten warnenden Blick schlurfte Johnston zur Tür hinaus.
    Alec ahnte, dass sein Reitknecht Recht hatte. Es war keineswegs sicher, dass der verrückte Plan funktionieren würde, doch ihm blieb keine Wahl. Entweder Julia Frant oder niemand.
    »Wer war das denn?« fragte Julia, die immer noch auf die Tür starrte.
    »Mein Reitknecht.«
    Misstrauisch betrachtete sie ihn. »Danach hat er sich aber nicht angehört.«
    »Nun, er ist es aber, auch wenn er das viel zu oft vergisst.« Hoffentlich beeilte Johnston sich mit dem Kaffee. Er wusste, wie man mit Frauen umging, aber Julia Frant mit ihren streng zusammengepressten Lippen und den tränennassen Augen war etwas anderes.
    »Wollen Sie mich jetzt heiraten?« erkundigte sie sich.
    Er bemerkte, dass ihre Unterlippe ganz leicht zitterte. »Wenn nicht, erbt Nick das ganze Vermögen. Das kann ich nicht zulassen.«
    Aus irgendeinem Grund wirkte sie enttäuscht. »Verstehe.«
    Alec runzelte die Stirn. »Nick ist völlig verkommen, Julia. Mit einem solchen Vermögen würde er nicht wieder gutzumachenden Schaden anrichten.« Er setzte sich wieder neben sie und legte ihr die Hand auf die Schultern. »Ich werde siebzigtausend Pfund im Jahr erben, Julia. Stellen Sie sich
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