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Vermählt mit einem Fremden

Vermählt mit einem Fremden

Titel: Vermählt mit einem Fremden
Autoren: ANNE O'BRIEN
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aufgerissenen Augen ihre unschickliche Kleidung anstarrte? Die Missbilligung ihres Halbbruders war ihr gleichgültig. Aber ihr gefangener Spion … Ihre Wangen färbten sich vor Scham tiefrot bei dem Gedanken, dass er sie für sittenlos und überspannt halten mochte. Andererseits … „Andererseits – vielleicht äußert sich unser Gast offener, wenn er glaubt, mit einem Mann zu sprechen. Einer Frau gegenüber wird er seine krummen Wege nicht erwähnen …“ Mit einer raschen Geste zog sie sich die Mütze fest über die Ohren und stopfte ihr Leid gewohntes Haar darunter. „Zu einem Schmuggler hat er vielleicht Vertrauen; so unter Schurken redet es sich leichter. Was ist schon der Unterschied zwischen einem Schmuggler und einem Spion? So wird doch mancher denken, nicht wahr? Da, seht her: Harry Lydyard!“ Sie reckte sich ein wenig und stolzierte in ihren Hosen und Stiefeln mit männlichem Schritt hinaus.
    „Eines Tages werden Sie in Teufels Küche kommen, mein Mädchen!“, rief Meggie ihr nach.
    „Aber es macht das Leben so aufregend!“, entgegnete Harriette. Ihre unbewusst verdüsterte Miene zeigte teils Melancholie, teils Bedauern. „Warum soll ich einen von Wallaces betrüblichen Freunden heiraten wollen, wenn ich die Lydyard’s Ghost durch die raue See jagen kann.“
    Das Erste, was Lucius Hallaston spürte, war hämmernder Kopfschmerz, so als ob sein Schädel in einen Eisenring gespannt worden wäre. Und als reichte das nicht, pochte es in seiner Schulter zum Gotterbarmen, und sein linker Arm brannte wie Feuer. Gab es eine Stelle an seinem Körper, die nicht schmerzte?
    Er wollte sich aufsetzen, unterließ den Versuch aber sofort, als er merkte, dass ihm schwindelig wurde und seine Gedanken sich verwirrten. Lohnte es sich überhaupt, sie zu sammeln, wo doch hinter seiner Stirn schmerzhaft ein Paukenkonzert dröhnte? Vage, lückenhafte Erinnerungen fanden sich ein. Lucius schüttelte, wie um seine Gedanken zurechtzurücken, den Kopf und wünschte sofort, er hätte davon abgesehen.
    Schließlich öffnete er vorsichtig die Augen. Ein düsterer Raum, verstaubte Bettvorhänge, kaum Mobiliar. Das Leintuch, unter dem er lag, war zerschlissen und roch muffig, schien aber zumindest sauber. Wo, zum Teufel, war er? Neben seinem Bett saß, über eine Flickarbeit gebeugt, ein junges Mädchen, eine Magd ihrer Kleidung nach.
    „Wo bin ich?“ Seine Stimme aus völlig ausgetrockneter Kehle war mehr ein Krächzen.
    „Oh, Sie sind wach, Sir“, bemerkte das Mädchen und stand auf.
    „Ja.“ Sogar für ihn selbst klang seine Stimme wie eingerostet. „Bitte, sagen Sie …“
    Doch da war sie schon gegangen, und während er sich noch fragte, ob er sie sich nur eingebildet hatte, wurde es abermals dunkel um ihn. Als er wieder zu sich kam, drang eine andere Stimme zu ihm durch. Ebenfalls weiblich, doch kühl und ruhig, befahl sie ihm, den Mund zu öffnen und zu trinken. Ein Arm schlang sich um seine Schultern und hob ihn ein wenig an, und ein Becher wurde an seine Lippen gedrückt. Er schluckte, und ein belebender, nach Zitrone schmeckender Trank rann lindernd durch seine raue Kehle. Von irgendwo her drang ihm Lavendelduft in die Nase. Er wollte sich bedanken, brachte jedoch nur einen unverständlichen Laut hervor. Wem gehörte die Stimme? Darüber nachzudenken fiel ihm zu schwer, also gab er auf und schlief erneut ein.
    Als schließlich sein Bewusstsein wiederkehrte, kehrte langsam auch sein Erinnerungsvermögen zurück. Er war auf einem Schiff gewesen. Und man hatte ihn drangekriegt … in einem französischen Hafen … Port St Martin. Und dann erinnerte er sich, dass er versagt hatte, überlistet worden war. Dieser Schuft Jean-Jacques Noir, der hatte ihn ausgeschaltet. Scham und Wut stiegen in ihm auf, weil er sich derart hatte hereinlegen lassen, aber natürlich hatte er auch nicht mit einem Hinterhalt gerechnet. Zu naiv, das war er. Und man hatte auf ihn geschossen, zumindest erinnerte er sich an einen starken Schmerz, und dann war alles um ihn her dunkel geworden.
    Er hatte keine Ahnung, wer ihn gerettet hatte. Da war der Überfall auf dem Kai, und danach wusste er nur, dass er in einem kleinen Schiff lag, das unangenehm schwankte. Ah ja, er hatte gesagt, dass er zurück nach Frankreich müsse … und dann nichts mehr.
    Als er ein Geräusch hörte, hob er den Kopf, ließ ihn aber gleich mit einem schmerzerfüllten Stöhnen wieder aufs Kissen sinken. Durch die Tür trat ein junger Mann in Seemannskleidung – tief
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