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Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition)
Autoren: Heather Gudenkauf
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besser machen und den anderen Bewohnern helfen können, ihre Ziele zu erreichen. Abgesehen davon“, Olene schüttelt kurz den Kopf, „machen Neuigkeiten hier schnell die Runde, und du wirst die anderen bald schon gut kennenlernen.“
    Ich bin mit einem Mal sehr müde und frage mich, ob Olene mich bald zu meinem Zimmer bringt. Ich will einfach nur unter die Decke krabbeln und schlafen. Wir kommen an einer kleinen, untersetzten Frau vorbei. Sie hat schwarze Haare, die ihr bis zur Taille reichen, und mehrere Piercings in Nase und Lippen. „Allison, das ist Tabatha. Tabatha, das ist Allison Glenn. Sie teilt sich ein Zimmer mit Bea.“
    „Ich weiß, wer du bist“, feixt Tabatha und wirft ihr Haar zurück, um einen großen Eimer mit Reinigungsutensilien in die Hand zu nehmen. Ich habe nie wirklich gedacht, dass ich den Grund, warum ich im Gefängnis war, verheimlichen könnte, aber ich wäre viel lieber als das Mädchen bekannt, das Autos gestohlen oder Kokain geschnupft oder sogar seinen Ehemann erschlagen hat, als als das, das ich nun mal bin.“
    „Nett, dich kennenzulernen“, sage ich, und Tabatha stößt einen derart verächtlichen Laut aus, dass ich fürchte, eines ihrer Nasenpiercings fliegt gleich raus und trifft mich an der Brust. Ich denke an meine Freundin Katie und muss beinahe lachen. Als wir vierzehn waren, hat sie sich ohne Wissen ihrer Eltern den Nabel piercen lassen. Als sie mir das Piercing zeigte, war es ganz eitrig und infiziert. Ich habe versucht, ihr zu helfen, aber sie war kitzelig und hat sich jedes Mal gewunden, wenn ich auch nur in die Nähe ihres Bauchs kam. Brynn war hereingekommen, während ich Katie half, die Wunde zu reinigen, und wir konnten nicht aufhören zu lachen. Jedes Mal, wenn Brynn und ich jemanden mit einem ungewöhnlichen Piercing sahen, brachen wir in lautes Gekicher aus.
    Ich entscheide mich, Tabatha zu ignorieren, und wende mich an Olene. „Dürfen wir hier das Telefon benutzen? Kann ich meine Schwester anrufen?“

BRYNN
    Ich höre das Telefon klingeln, und meine Grandma ruft: „Ich geh schon!“ Eine Minute später kommt sie in die Küche, wo ich mir gerade ein Sandwich mache. Ich sehe den Ausdruck auf ihrem Gesicht und weiß, dass es etwas mit Allison zu tun hat. „Es ist deine Schwester“, sagt sie, doch ich schüttle bereits den Kopf. „Brynn, ich denke, du solltest mit ihr sprechen.“
    Meine Großmutter versucht, ernst zu klingen, aber ich weiß, dass sie mich nie zwingen würde, mit Allison zu reden. „Nein“, sage ich und fahre fort, Erdnussbutter auf meiner Brotscheibe zu verstreichen.
    „Früher oder später wirst du dich mit ihr unterhalten müssen“, erklärt sie geduldig. „Ich denke, dann wirst du dich besser fühlen.“
    „Ich will nicht mit ihr reden“, erwidere ich entschieden. Ich kann meiner Grandma gegenüber nicht böse werden. Ich weiß, dass sie zwischen den Stühlen sitzt. Sie will nur das Beste für uns beide.
    „Brynn, wenn du weder am Telefon mit ihr sprichst noch ihre Briefe beantwortest, wird Allison einen anderen Weg finden.“
    Plötzlich ist es klar. Ich schaue in ihre alten, freundlichen blauen Augen. Allison kommt aus dem Gefängnis. Nach allem, was ich weiß, ist sie vielleicht sogar schon draußen.
    Meine Hände fangen an zu zittern, und ein Klecks Erdnussbutter fällt vom Messer auf den Boden. Ich habe Angst, dass sie hier unerwartet auftaucht. Dass ich hinten im Garten bin, meinen Schäferhund-Chowchow-Mischling Milo trainiere, an einem Leckerchen vorbeizugehen, ohne es zu fressen, mich umdrehe und sie dasteht und mich ansieht. Auf die Worte wartet, von denen ich weiß, dass sie nicht kommen werden. Was hätte ich ihr auch zu erzählen? Was könnte sie mir noch mehr sagen als das, was sie in all ihren Briefen geschrieben hat? Auf wie viele Arten kann jemand sagen, dass es ihm leidtut?
    Ich bücke mich, um die Erdnussbutter mit einem Papiertuchaufzuwischen, aber Milo ist schneller. „Ich kann nicht mit ihr reden.“
    Meine Großmutter presst die Lippen aufeinander und schüttelt geschlagen den Kopf. „Gut, ich werde es ihr sagen. Aber, Brynn, du musst dich ihr irgendwann stellen.“ Ich antworte nicht, folge ihr aber ins Wohnzimmer und sehe zu, wie sie den Telefonhörer wieder in die Hand nimmt.
    „Allison?“ Die Stimme von Grandma zittert leicht, so aufgewühlt ist meine Großmutter. „Brynn kann nicht ans Telefon kommen.“ Es entsteht eine kleine Pause, in der sie zuhört. „Ihr geht es gut … sehr gut
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