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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Sein stutzerhafter Anzug war den Landleuten, die ihre Produkte in die Stadt fuhren, aufgefallen. Kolb war auf die Straße hinausgeritten und hatte schließlich in Mansle erfahren, daß Lucien, den Herr Marron erkannt hatte, in einer Kalesche mit Postpferden gesessen hätte.
    »Was habe ich gesagt?« rief Petit-Claud, »der Junge ist kein Dichter, er ist ein fortwährender Roman.«
    »Mit Postpferden?« rief Eva, »und wo will er diesmal wieder hin?«
    »Jetzt«, sagte Petit-Claud zu David, »kommen Sie zu den Herren Cointet, sie erwarten Sie.«
    »Ach, Herr Petit-Claud,« rief die schöne Frau Séchard, »bitte, wahren Sie unsere Interessen gut, Sie haben unsere ganze Zukunft in der Hand.«
    »Frau Séchard,« antwortete Petit-Claud, »wollen Sie, daß die Konferenz bei Ihnen stattfindet? Ich lasse Ihnen David. Die Herren können heute abend hierher kommen, und Sie sollen sehen, ob ich Ihre Interessen verteidigen kann.«
    »Ach, das wäre mir sehr recht«, erwiderte Eva.
    »Gut,« versetzte Petit-Claud, »heute abend um sieben Uhr hier.«
    »Ich danke Ihnen«, erwiderte Eva mit einem Blick und einer Betonung, die dem Advokaten bewiesen, welche Fortschritte er inzwischen in dem Zutrauen seiner Klientin gemacht hatte.
    »Fürchten Sie nichts! Sie sehen, ich hatte recht«, fügte er hinzu. »Ihr Bruder ist dreißig Meilen vom Selbstmord entfernt. Und schließlich werden Sie vielleicht noch heute abend ein kleines Vermögen besitzen. Es bietet sich ein ernsthafter Reflektant auf Ihre Druckerei.«
    »Wenn das wäre,« sagte Eva, »warum wollen wir nicht warten, bevor wir uns mit den Cointet einlassen?«
    »Sie vergessen, Frau Séchard,« erwiderte Petit-Claud, der die Gefahr, die in seiner Mitteilung lag, merkte, »daß Sie nicht in der Lage sind, Ihre Druckerei zu verkaufen, bevor Sie Herrn Métivier bezahlt haben, denn Ihre ganze Einrichtung ist immer noch gepfändet.«
    Als Petit-Claud zu Hause war, ließ er Cérizet kommen. Als der Faktor in das Arbeitszimmer eingetreten war, führte er ihn in eine Fensternische.
    »Du bist morgen abend Eigentümer der Druckerei Séchard und hast genügende Protektion, um die Übertragung des Druckereipatents zu erlangen,« sagte er ihm ins Ohr; »aber du willst nicht auf den Galeeren enden?«
    »Was! was! auf den Galeeren!« rief Cérizet. »Dein Brief an David ist eine Fälschung, und er ist in meiner Hand. Wenn man Henriette in Verhör nähme, was würde sie sagen?... Ich will dich nicht zugrunde richten«, fügte Petit-Claud schnell hinzu, als er Cérizet blaß werden sah.
    »Sie wollen noch etwas von mir?« rief der Pariser.
    »Jawohl, folgendes erwarte ich von dir«, fuhr Petit-Claud fort. »Höre gut zu! Du wirst binnen zwei Monaten Drucker in Angoulême sein, aber du mußt deine Druckerei schuldig bleiben, und du wirst sie in zehn Jahren noch nicht bezahlt haben! Du wirst lange für deine Kapitalisten arbeiten, und überdies wirst du genötigt sein, der Strohmann der liberalen Partei zu sein... Ich werde deinen Gesellschaftsvertrag mit Gannerac abfassen; ich mache ihn so, daß du eines Tages die Druckerei für dich allein besitzest... Aber wenn sie eine Zeitung gründen, wenn du ihr verantwortlicher Verleger bist, und wenn ich hier erster Substitut bin, mußt du dich mit dem großen Cointet verständigen, daß du in dein Blatt Artikel aufnimmst, die dazu führen, daß es beschlagnahmt und unterdrückt wird... Die Cointet werden dich gut bezahlen, wenn du ihnen diesen Dienst leistest. Ich weiß wohl, du wirst verurteilt werden, du wirst ins Gefängnis kommen, aber du wirst als bedeutender Mann gelten, der ungerecht verfolgt wird. Du wirst eine Persönlichkeit im Lager der Liberalen, ein Mercier, ein Paul-Louis Courier, ein Manuel im kleinen. Ich werde nie beantragen, daß dir dein Patent entzogen wird. Und schließlich an dem Tage, wo die Zeitung unterdrückt wird, verbrenne ich diesen Brief vor deinen Augen. Dein Vermögen wird dich nicht viel kosten.«
    Die Leute aus dem Volke haben sehr irrtümliche Ideen über die verschiedenen Urkundenfälschungen, die das Gesetz unterscheidet, und Cérizet, der sich schon auf der Anklagebank vor dem Schwurgericht sah, atmete auf.
    »Ich werde binnen drei Jahren königlicher Prokurator in Angoulême sein,« fuhr Petit-Claud fort, »du wirst mich brauchen können, denke daran.«
    »Abgemacht!« sagte Cérizet; »aber Sie kennen mich nicht. Verbrennen Sie diesen Brief vor meinen Augen, verlassen Sie sich auf meine Dankbarkelt.«
    Petit-Claud
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