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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Streitigkeiten vorgelegt werden sollten. Die Gebrüder Cointet verlangten die Zurückgabe der sechstausend Franken und das Eigentum des Patents und ebenso die etwaigen künftigen Ergebnisse von dessen Ausbeutung als Entschädigung für die ungeheuren Ausgaben, die sie ohne Ergebnis gehabt hätten.
    »Man sagt, du richtest sie zugrunde!« sagte der alte Winzer zu seinem Sohn. »Das ist wahrhaftig von allem, was du gemacht hast, das einzige, was mir gefällt.«
    Am nächsten Morgen um neun Uhr waren Eva und David im Vorzimmer des Herrn Petit-Claud, der der Verteidiger der Witwen und der Vormund der Waisen geworden war und dessen Ratschlägen allein sie folgen wollten.
    Der Beamte empfing seine früheren Klienten mit größter Liebenswürdigkeit und wollte durchaus, daß Herr und Frau Séchard ihm das Vergnügen machten, mit ihm zu frühstücken.
    »Die Cointet verlangen sechstausend Franken von Ihnen?« sagte er lächelnd. »Wieviel schulden Sie noch vom Kaufpreis der Verberie?«
    »Fünftausend Franken, aber zwei davon habe ich«, antwortete Eva.
    »Behalten Sie Ihre zweitausend Franken«, versetzte Petit-Claud. »Also fünftausend!... Und zehntausend Franken täten Ihnen noch gut, um Ihren Landbesitz hübsch wohnlich zu machen! Also schön! In zwei Stunden sollen Ihnen die Cointet fünfzehntausend Franken bringen...«
    Evas Überraschung war unverkennbar.
    »Gegen Ihren Verzicht auf alle Gewinne aus dem Gesellschaftsvertrag, den Sie durch gütliche Verständigung lösen«, fuhr der Beamte fort. »Paßt Ihnen das?«
    »Und würden wir damit gesetzlich handeln?« fragte Eva.
    »Durchaus gesetzlich«, erwiderte der Beamte lächelnd. »Die Cointet haben Ihnen genug zugesetzt, ich will ihren Ansprüchen ein Ende machen. Hören Sie, ich bin jetzt Beamter, ich schulde Ihnen die Wahrheit. Die Wahrheit ist, daß die Cointet Sie in diesem Augenblick überlisten, aber Sie sind in ihren Händen. Wollen Sie den Kampf aufnehmen, so könnten Sie den Prozeß, den sie Ihnen anhängen wollen, gewinnen. Aber es wäre Gefahr, daß Sie nach zehn Jahren noch kein Urteil hätten. Man wird endlos Sachverständige vernehmen und Gutachten einholen, und Sie müßten mit den Zufällen der entgegengesetzten Ansichten rechnen. Und«, fügte er lächelnd hinzu, »ich sehe keinen Anwalt, der Ihre Sache hier führen könnte. Mein Nachfolger taugt nichts. Ich meine also, ein magerer Vergleich ist besser als ein fetter Prozeß.«
    »Jeder Vergleich, der uns Ruhe gibt, wird mir recht sein«, sagte David.
    »Paul,« rief Petit-Claud seinem Diener zu, »holen Sie Herrn Ségaud, meinen Nachfolger! – Während wir frühstücken, soll er zu den Cointet gehen,« sagte er zu seinen alten Klienten, »und in ein paar Stunden kehren Sie nach Marsac zurück, haben ein Vermögen verloren, aber können zufrieden sein. Die zehntausend Franken bringen Ihnen noch weitere fünfhundert Franken Rente, und in Ihrem hübschen kleinen Anwesen leben Sie glücklich.«
    Nach Verlauf von zwei Stunden brachte der Advokat Ségaud, wie Petit-Claud es vorausgesagt hatte, von den Cointet in aller Form unterzeichnete Schriftstücke und fünfzehn Tausendfrankenscheine.
    »Wir verdanken dir viel«, sagte Séchard zu Petit-Claud.
    »Aber ich habe euch um ein Vermögen gebracht«, sagte Petit-Claud seinen erstaunten Klienten. »Ich habe euch um ein Vermögen gebracht, ich wiederhole es, ihr werdet es mit der Zeit sehen, aber ich kenne euch, ihr bleibt besser in eurer bescheidenen Lage, als daß ihr um ein Vermögen kämpft, das vielleicht zu spät in eure Hände käme.«
    »Wir sind nicht geldgierig, Herr Petit-Claud, wir danken Ihnen, daß Sie uns die Mittel zum Glück verschafft haben,« sagte Frau Eva, »und Sie werden uns immer dankbar dafür finden.«
    »Mein Gott! segnen Sie mich nur nicht,« rief Petit-Claud, »Sie machen mir Gewissensbisse, aber ich glaube, heute alles wieder gutgemacht zu haben. Ich verdanke es euch, daß ich Beamter geworden bin, und wenn einer erkenntlich sein muß, bin ich es. Lebt wohl!«
    Mit der Zeit änderte der Elsässer seine Meinung über den alten Séchard, der seinerseits den Elsässer liebgewann, weil er, gleich ihm, nicht lesen und schreiben konnte und leicht einen kleinen Rausch bekam. Der alte Bär lehrte den alten Kürassier im Weinberg arbeiten und seine Erträge verkaufen, er bildete ihn in dem Gedanken aus, seinen Kindern einen vernünftigen Menschen zu hinterlassen, denn in seinen letzten Tagen gab er sich über das Schicksal seiner
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